Woran man erkennt, dass unsere Kinder in Albanien aufwachsen

von Rahel Fröse am 29. April 2020

Es gibt immer wieder so Situationen in Alltag, die mich zum schmunzeln bringen. Es sind Dinge, die meine Kinder tun oder sagen, die mir klar zeigen: meine Kinder sind deutsch, ja, aber sie verbringen eine entscheidende Phase ihrer Kindheit in einer anderen Kultur, in Albanien, in einem Land, einem Umfeld, in dem vieles sehr anders ist, als wir gewohnt sind. Ja, wir erziehen sie auf „deutsche“ oder besser auf „christliche“ Art und Weise (das versuchen wir jedenfalls mit Gottes Hilfe). Und dennoch werden sie geprägt. Und das ist mir manchmal gar nicht so bewusst. 

Viel könnte man dazu schreiben, hier wollte ich allerdings nur einige Begebenheiten erzählen, die mich echt zum Lachen gebracht haben und auch euch zeigen können, von welchem Weltbild unsere Kinder umgeben sind und was in ihrem Alltag normal ist.

„Warum redest du mit einem Mann?“

Als wir in Deutschland waren und ich mich nach einem Gottesdienst mit einem Freund unterhalten habe (sicher habe ich ihn auch zur Begrüßung umarmt), fragte mich Livia im Anschluss etwas aufgebracht: „Mama, wer ist der Mann, mit dem du da gesprochen hast?“ (Sie sagte das in so einer besorgten Weise, dass ich lachen musste und ihr dann erklärt habe, dass man einfach auch andere Männer als gute Freunde haben kann…) - Hintergrund dazu ist, dass wir hier in einer extrem getrennten Frauen und Männer Welt leben. Ich rede nicht viel und intensiv mit anderen Männern hier und das beobachten meine Kinder natürlich. Daher ist es verständlich, dass Livia das auffällt…

„Mama, eine Frau am Steuer!“

Auch in Deutschland: Gideon schaut aus dem Fenster, als wir mit dem Auto unterwegs sind und stößt voller Verwunderung aus: „Da fährt eine Frau mit dem Autos! Und da auch! Mama, warum fahren hier so viele Frauen Auto?“ noch dazu kam, dass viele der Frauen mit schönen, dicken Autos fuhren. -

Tatsächlich fuhren bis vor kurzem noch sehr wenige Frauen hier mit dem Auto. Das hat sich im letzten Jahr etwas geändert. Immer mehr Frauen machen jetzt Führerschein. Aber Autos sind eine absolute Männer Domäne hier und das Statussymbol schlechthin. Unser Gideon lässt sich auch sehr von tollen und vor allem schnellen Autos faszinieren. Und ich habe gemerkt, dass sogar Henry schon zu Autos läuft (ihm ist es allerdings egal, wie sie aussehen) und darauf zeigt. 

„Juchu, Strom ist da!“

Jemima möchte bei unserer albanischen Oma etwas Fernsehen. Bevor sie voller Freude runter läuft, kommt sie in die Küche und schaut auf die leuchtenden Zahlen auf unserem Ofen. „Strom ist da!“, freut sie sich und weg ist sie. „Stromausfall“ ist ein sehr alltägliches Wort bei uns. Unsere Kinder sind es schon sehr gewohnt und sind in keinster Weise mehr überrascht, wenn es plötzlich völlig dunkel wird. 

„Darf ich mir meine Frau selber aussuchen?“

Abends im Bett hat man ja bekanntlich die tiefsten Gespräche mit den Kindern. So lag ich letztens bei Gideon im Bett und wir unterhielten uns. Er fragte mich dann: „Mama, darf ich mir meine Frau selber aussuchen oder nicht?“Ja, ich musste innerlich schmunzeln, aber es zeigt, wie sehr Gideon von der Kultur hier geprägt ist.

Hier wird man nämlich in der Regel noch verheiratet. D.h. die Eltern arrangieren die Verbindung zwischen Mann und Frau. Ein normales kennenlernen ist normalerweise nicht möglich. So oft wir unseren Kindern natürlich erzählt haben, dass sie ihren Ehepartner selber aussuchen dürfen (Jemima möchte Gideon heiraten und Livia den Papa und Gideon die Mama… 😉 und wir auch dafür beten, dass sie jemand tolles finden, so sind sie doch so von ihrem Umfeld beeinflusst, dass das manchmal in den Hintergrund rückt… 

„Und jetzt ordentlich posieren, bitte!“

Am Sonntag haben wir einen kleinen Ausflug gemacht. Auf einem der vielen alten Bunkern aus kommunistischer Zeit kann man tolle Fotos machen. Ich bin immer wieder total überrascht, wie gekonnt Livia (und immer mehr auch Jemima) posieren kann. Hände in die Hüfte, ein seitlicher Blick von unten hoch, ein Bein vor, die Hüfte elegant auf die Seite, ein Kussmund und vieles mehr. Da ist wirklich ein kleines Modell an ihr verloren gegangen. Es ist manchmal schwer, diesen inneren Drang, sich so in Pose zu bringen, zu unterdrücken, wenn wir z.b. ein „natürliches“ Familienfoto machen wollen. Da sehen wir immer wieder eine Livia mit Händen in der Hüfte und einem aufgesetzten Lächeln… 

Auch das spiegelt zutiefst die albanische Kultur hier wieder. Auf Fotos posiert man extrem (in unseren Augen) und versucht sich möglichst ins allerbeste Licht zu rücken. Die vielen verschiedenen Filter, die es jetzt gibt, sind hier überaus beliebt, v.a. die, die das Gesicht wie das einer Schaufensterpuppe erscheinen lässt. 

Livia spielt viel mit ihren Freundinnen und sieht hier und da Musikvideos (da hier ja der Fernseher so gut wie immer läuft) und das färbt auch ab…

„Kindergeburtstage!“

Ein großer Vorteil ist es, dass wir hier nicht so unter dem Druck des Vergleichens mit anderen stehen. Also, jedenfalls nicht so wie in Deutschland. Das fällt mir besonders auch bei Festen auf. Was ich aus Deutschland teilweise höre, das macht mir schon fast Angst. Kindergeburtstage sind bis ins kleinste Detail geplante Events, die möglichst mindestens genauso toll und aufwendig sind, wie die der Freunde in der Schule. (Ist vielleicht etwas übertrieben…)

Hier werden Geburtstage eher nicht gefeiert. Geschenke haben viele Kinder noch nie in ihrem Leben bekommen. Daher versuchen wir die Geburtstage unserer Kinder schön, aber auch bescheiden zu gestalten. Ich finde es schön zu sehen, wie unsere Kinder auch mit wenig und kleinen Geschenken zufrieden und glücklich sind.

Zu Mimas Geburtstag haben wir ein Spiel gespielt als wir spazieren gingen. Wir sammelten alle Getränkedosen vom Straßenrand (und das sind extrem viele, da das leider hier völlig normal ist, einfach den Müll aus dem Auto zu schmeißen, egal, wo man ist…), warfen sie auf die Straße und machten uns einen Spaß, die rollenden Dosen plattzutreten (wenn sie nicht schneller waren…:) dann packten wir alle zusammen und schenkten sie einer uns bekannten Frau, die sie verkauft und etwas Geld dafür bekommt… ich musste mir nichts großes ausdenken, aber es machte so einen Spaß. Dabei haben wir noch die Natur gereinigt und einer Frau geholfen. 

Es gäbe noch so einige Dinge, die so anders sind im Leben unserer Kinder. Ich hoffe und bete, dass ihre Kindheit in Albanien ihnen in richtig guter Erinnerung bleibt und für sie ein Schatz wird, der sie für ihr ganzes Leben begleitet. 

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