"Hoffentlich wird es ein Junge."

von Rahel Fröse am 29. März 2018

Ich bin nun in der 24. Schwangerschaftswoche und natürlich ist mein Bäuchlein nun nicht mehr zu verstecken. Menschen hier freuen und wundern sich zugleich, dass wir noch ein viertes Kind bekommen. „Du bist ja wie wir Albaner“, heißt es dann so manchmal. Ich sage dann, dass wir uns bewusst dafür entschieden haben und Kinder ein Segen Gottes sind und wir uns sehr darauf freuen. Der nächste Kommentar dann ist meistens: „Hoffentlich wird es ein Junge.“ - das sagen sie auch ohne zu wissen, dass wir schon einen Jungen und zwei Mädchen haben. (Die „perfekte“ Familie wäre doch zwei mit zwei...)

Nun, was soll ich dazu sagen? Ich sage, dass das nicht wir, sondern Gott entscheidet. Und dass das auch gut so ist, sonst gäbe es in Albanien ja kaum noch Mädchen.
„Ja, ja, natürlich, Hauptsache gesund.“ kommt dann die schnelle und etwas verlegene Antwort. Manchmal möchte ich sagen: „Ja, und auch wenn es nicht gesund ist, ist es ein Geschenk Gottes!“

Als wir zuletzt einen Ultraschall machten, sah es nun mehr nach einem Mädchen aus. Wir freuen uns auch von ganzem Herzen darüber. Natürlich! Aber ehrlich gesagt fürchtete ich etwas die Kommentare der Albaner. Und mehr noch, hatte ich einfach keine Lust über blöde Bemerkungen oder Blicke, die das Leben von Mädchen herabsetzen. Irgendwann reicht einem das.

Im Moment fühle ich mich dabei wie eine Botschafterin für das Leben von Mädchen. Wenn nun Leute fragen, ob wir schon wissen, was es ist, dann sage ich frei heraus, dass es mehr nach Mädchen aussieht und wir uns freuen. Besonders laut sage ich es, wenn Mädchen im Raum sind. Wie müssen die sich nur fühlen, wenn immer nur ein Junge gewünscht wird und die Nachricht, dass es ein Mädchen ist, eine Schlechte ist.

Unsere Nachbarin von unten versuchte mir einmal zu erklären, warum man sich mehr einen Jungen wünscht. Das Leben eines Mädchens und später einer Frau ist so viel mehr von Leiden geprägt, wie das eines Jungen oder Mannes. Das wünscht sich doch keiner für sein Kind. Ich versuchte, mich in diesen Gedanken hineinzuversetzen. Wir können das ja so gar nicht verstehen. Bei uns haben alle die gleichen Chancen, ob Mädchen oder Junge. Aus Angst vor einem leidvollen Leben kein Mädchen zu wollen?

In gewisser Weise kann ich es nachvollziehen. Ja, ich denke auch, dass das Leben der Frauen auf jeden Fall mehr von Arbeit und oft auch Verantwortung tragen etc. geprägt ist. Wenn sie mit einem „schlechten“ Mann verheiratet wird, evtl. noch mit einer schwierigen Schwiegermutter zusammenlebt, dann kann das Leben echt sehr hart werden. Kindererziehung, Hausarbeit, Arbeit im Garten oder auf dem Feld, auch oft sehr schwere Arbeit, ist Aufgabe der Frau. Der Mann sitzt oft genug den ganzen Tag nur irgendwo im Café... Ich empfinde es oft als eine sehr ungerechte Welt...

Ich weiß auch, dass es noch so einige andere Gründe gibt, warum man einen Jungen braucht. Er wird z.B. die Eltern später aufnehmen und für sie sorgen. Töchter werden in andere Familien verheiratet.

Ich denke, Gott hat seinen Plan, wenn wir in Albanien unser drittes Mädchen bekommen (wenn es ein Mädchen ist :). Und ich will voller Stolz dazu stehen und „aller Welt“ bezeugen, dass das Leben von Mädchen genauso wertvoll ist, wie von Jungen.

[Anmerkung: Was ich hier schreibe, trifft für unsere Gegend zu. Nicht in ganz Albanien herrscht mehr dieses ausgeprägte Denken, dass Jungen mehr Wert sind wie Mädchen, oder das jedenfalls so vermittelt wird. Und auch nicht jeder in unserer Gegend denkt so. Aber doch der größte Teil und so begegnet es mir hier immer und immer wieder...]

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