Ein Insiderblick in die Verführung des Wohlstandsevangeliums

von Danny Fröse am 30. März 2021

Ich weiß, wie es ist, wenn Leute für dich beten wollen, weil sie meinen, dass Gott immer heilt und sie fest daran glauben, dass Gott sie gesandt hat, um andere zu heilen. Aufgrund meiner, medizinisch gesehen, unheilbaren MS-Erkrankung habe ich es schon oft erlebt, dass liebevolle Geschwister ihren uneingeschränkten Glauben an Heilung an mir beweisen wollten. Man wollte mir die Krankheit „austreiben“, weil sie als ein Fluch angesehen wird.

Doch nicht nur ich muss mich damit auseinandersetzen, dass eine falsche Lehre über Gott und Heilung enttäuschte Hoffnungen zurücklässt. Millionen von Menschen sind gefangen in dem Glauben, dass es Gottes ausdrücklicher Wille ist, uns mit Gesundheit und Wohlstand zu segnen.

Costi Hinn war Teil dieser Verführung. Als Neffe von dem berühmten Benny Hinn war er mit eben diesem weltweit unterwegs und hat dabei einen ausschweifenden Lebensstil genossen. Nach seinem Ausstieg hat er nun ein aufrüttelndes Buch geschrieben, das die Lügen und Verirrungen des sogenannten Wohlstandsevangeliums in allen seinen Facetten aufdeckt und einen Weg heraus zeigt.

Ich bin aufrichtig dankbar, dass der CLV-Verlag dieses Buch übersetzt hat.

Eine kleine Vorbemerkung: Als Leser bekommen wir einen schonungslosen Einblick in die üblen Machenschaften einiger derjenigen, die das Wohlstandsevangelium predigen. Aber das Wohlstandsevangelium ist nicht nur der extreme Benny Hinn. Elemente des Wohlstandsevangeliums finden sich auch in der „Wort des Glaubens“-Bewegung, der u.a. Joyce Meyer angehört, und der NAR-Bewegung (dt. Neue apostolische Reformation), allen voran Bill Johnson mit seiner School of Supernatural Ministry.

Der Autor Costi Hinn liefert uns einen Insiderblick in das Leben derer, die vom Wohlstandsevangelium profitieren. Durch seine enge Nähe zu einer der prägendsten Figuren kann er die Machenschaften natürlich viel ehrlicher und offener aufdecken. Ich habe großen Respekt davor, dass er den Mut hatte, dieses Buch zu schreiben, da es nicht viel Ruhmhaftes an seiner Familie lässt.

Das Buch hat drei herausragende Stärken: Es ist zeugnishaft, es ist biblisch fundiert und es ist dabei auf eine ganz besondere Weise praktisch. In den nächsten Abschnitten will ich kurz einen Einblick liefern und entfalten, warum mich das Buch damit überzeugt hat.

Zeugnishaft

Den größten Teil des Buches nimmt der autobiographische Bericht Costi Hinns ein. Er beginnt bei der Familie seines Vaters und Onkels und erzählt dann ausführlich, was er selbst erlebt hat.

Sein familiärer Hintergrund

Hinn erzählt die Geschichte von der Familie seines Vaters und seines Onkels von den Anfängen, als die Familie noch in Jaffa, Israel, wohnte. Dabei liefert er ungeschönte Einblicke in das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis und scheut sich auch nicht, Rückschlüsse auf die spätere Entwicklung von Benny Hinn zu ziehen. Der Leser wird mit hineingenommen in den Aufstieg der Hinns, die als junge arabische Einwanderer nach Kanada kamen und dann zu weltberühmten Predigern des Wohlstandsevangeliums aufstiegen. Zum besseren Verständnis will ich hinzufügen, dass auch Costi Hinns Vater ein Prediger des Wohlstandsevangeliums war, eine eigene Gemeinde leitete und sich übermäßig an den Spenden anderer bereicherte.

Die Einflüsse charismatischer Irrlehrer auf den jungen Benny Hinn werden dem Leser nicht verschwiegen und wie sich dieser dann selbst eine Plattform aufbaute und zum Prediger eines Heilungs- und Wohlstandsevangeliums wurde.

Sein geistlicher Werdegang

Viel interessanter ist für den Leser jedoch das Zeugnis Costi Hinns über sein eigenes Leben. Hinn wuchs in dieser charismatischen Prägung des Wohlstandsevangelium auf und genoss ein von Reichtum geprägtes Leben. Als Predigerkind war er natürlich fest überzeugt, dass auf seinem Onkel und seinem Vater eine ganze besondere Salbung lag. Aber in der Schule musste er Anfeindungen erleben, weil man seinen Onkel als Irrlehrer beschimpfte. Hinn scheut sich nicht, zu beschreiben, wie schwierig sein eigenes Verhalten in der Schule war. Er war arrogant, überheblich und dachte von sich selbst, die Salbung zu haben, die anderen fehlte. Doch der Glaube an das Wohlstandsevangelium begann zu bröckeln, als einer seiner Onkel an Krebs starb. Immer wieder bekommen wir einen Einblick, wie Hinns Zweifel wuchsen:

„Ich erinnere mich an den Moment, als ich das erste Mal realisierte, dass unser Lebensstil dadurch ermöglicht wurde, dass wir andere ausnutzen und von Freiwilligen und Mitarbeitern unterstützt wurden, die nicht wie wir lebten. […] Irgendwas schien nicht zu stimmen. Aber ich war noch Jugendlicher und so wischte ich die Zweifel und Bedenken fort.“ (S. 56)


So wurde Hinn Teil von einem Team, das mit seinem Vater und Benny Hinn um die Welt reiste. Er war voll in die Arbeit integriert und fühlte sich gut dabei, einen sehr verschwenderischen Lebensstil zu führen. An einer Stelle führt er die Liste der edelsten und teuersten Hotels auf, in denen er während dieser Zeit gastierte. Ein Abschnitt beschreibt ausgezeichnet die Diskrepanz des Wohlstandsevangeliums mit dem biblischen Evangelium. Hinn war in einem edlen Hotel in der Nähe von Athen zu Gast. Er schreibt:

„Ich hatte eine 180-Quadratmeter-Villa mit eigenem Pool und riesigem Garten für mich allein. Jeden Abend schlief ich mit dem Geräusch des Windes und des Meeres ein. Als ich an jenem Tag auf das Meer hinausblickte, dachte ich: Ich bin am Ziel. Das war es. Mein Leben war festgelegt. Ich reiste um die Welt und brachte das Evangelium an die Enden der Erde, wie Jesus es gesagt hatte. Ich war Teil eines Werkes, durch das weltweit Kranke und verletzte Seelen geheilt wurden. Ich würde ein Gesalbter Gottes sein, ebenso wie mein Onkel und mein Vater. […] Als ich an diesen Tag von diesem Felsen aufs Meer hinausschaute, blickte ich auf die Ägäis – dasselbe Gewässer, auf dem der Apostel Paulus auf seinen Missionsreisen segelte. Es gab nur ein Problem: Wir predigten nicht dasselbe Evangelium.“ (S. 63)


Doch es sollte noch lange dauern, bis Hinn zu dieser Erkenntnis gelangte. In der Zwischenzeit, berichtet Hinn, gaben ihm verschiedene Ereignisse immer wieder zu denken. Negative Berichterstattung über seinen Onkel, Kranke die nicht geheilt wurden und unerfüllte Prophetien trugen dazu bei, dass sein Glaube an das Wohlstandsevangelium mehr und mehr Risse bekam.

Sein langsamer Ausstieg

Ein wichtiger Punkt in Costi Hinns Leben war die Begegnung mit seiner jetzigen Frau, Christyne. Sie kam nicht aus den Kreisen des Wohlstandsevangeliums. Sie stand der ganzen Bewegung sogar kritisch gegenüber. Das brachte natürlich Spannungen in die Beziehung. Hinns Familie hatte erwartet, ihr Sohn würde eine Frau heiraten, die die Salbung empfangen hatte und in Zungen redete. Doch da dies nicht der Fall war, bekam Christyne eine Menge Ablehnung zu spüren. Ein ganzes Kapitel verwendet Hinn, um die Schwierigkeiten zu beschreiben, die er und seine Frau erlebten, bis sie endlich vor dem Traualtar standen.

Der nächste wichtige Schritt heraus aus der Bewegung war sein Start in einer neuen Gemeinde. Hinn durfte als Jugendpastor dienen. Durch fürsorgliche Pastoren lernte er, wie wichtig ein biblisches Fundament ist. Als Hinn eine Predigt über die Heilung des Kranken am Teich Betesda vorbereiten sollte fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. Gott öffnete ihm die Augen und er erlebte ein „Erwachen der Gnade“. Er erklärt:

„Das Evangelium ergab plötzlich Sinn. Mein Leben existierte zur Ehre Gottes, nicht zu meiner eigenen. Gottes höchstes Ziel für mich war nicht, mich glücklich, gesund und reich zu machen, sondern ihn zu verherrlichen.“ (S. 139)

Das Zeugnis von Costi Hinn darüber, wie er den Ausstieg geschafft hat, habe ich hier nur kurz angerissen. Aber der Leser merkt schnell: Dieser Mann weiß, wovon er spricht. Er hat das Recht, die üblen Machenschaften und verdrehten Argumente des Wohlstandsevangeliums aufzudecken, weil er Teil des Ganzen war. Für jeden, der in dieser Bewegung steckt und nach Orientierung sucht, wird dieser Bericht eine große Hilfe sein, um freizukommen.

Biblisch fundiert

Hinn kam zu seinen Überzeugungen, weil er die Schrift eingehend studierte. Dies wird besonders deutlich in folgender Aussage:

„Während ich mein Studium weiter vertiefte, wurde mir schließlich schmerzlich klar, dass das Wirken der Familie Hinn mit dem wahren Wirken des Evangeliums nichts zu tun hatte. Wir glichen den habgierigen Zauberern und Betrügern, deren Tun die Bibel immer wieder anprangert. Das war für mich ein Schlag der Wahrheit nach dem anderen in die Magengrube, aber ich hatte mich nie besser gefühlt.“ (S. 144)

Hinn stellt dann im Verlauf des Buches wichtige Fragen, denen sich jeder stellen muss, der aus der charismatischen Bewegung kommt und vom Wohlstandsevangelium beeinflusst ist: Was bedeutet es, dass Gott souverän ist? Was sagt die Bibel über Irrlehrer? Warum ist das Wohlstandsevangelium so gefährlich?

Hier legt Hinn auf überzeugende und biblische Weise dar, wie das Wohlstandsevangelium das wahre Evangelium verdreht und warum wir es als Christen radikal ablehnen sollten. Er urteilt deutlich:

„Das Predigen des Wohlstandsevangeliums muss in der ganzen evangelikalen Welt geächtet werden. Die, die es predigen oder die, die mit ihnen zusammenarbeiten, sollen gemieden werden. Es ist Zeit für die Christenheit, ein Zeichen zu setzen, damit das Wohlstandsevangelium unser Zeugnis nicht weiter vergiftet.“ (S.177)


Besonders gefreut haben mich die Ausführungen zum Thema „Was die Bibel zu Gesundheit sagt“. Diese Ansichten vertrete ich seit Jahren, aber es hat gutgetan, die biblische Sicht auf das Thema in einem Buch aufgeschrieben zu sehen. Er listet folgende Prinzipien auf:

  • Gott heilt heute noch.
  • Auf der Erde gibt es keinen Anspruch auf Gesundheit.
  • Die Freude eines Christen hängt nicht von den Umständen ab.
  • Leiden und Prüfungen gehören zum Leben dazu.
  • Körperliche Einschränkungen schränken die Auswirkungen des Dienstes nicht ein.

Weiterhin sind auch die von ihm angeführten biblischen Prinzipien zum Thema „Wohlstand und Reichtum“ Gold wert.

Hinn zeigt in seiner biblisch fundierten Herangehensweise einwandfrei auf, wie man die Lügen des Wohlstandsevangeliums aufdecken und ihnen entkommen kann.

Praktisch

Die Schilderung des Ausstiegs von Costi Hinn ist an sich schon unheimlich praktisch für all diejenigen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden. Aber auch für solche, die nicht Teil der Bewegung sind, ist es hilfreich zu sehen, wie es Menschen gehen kann, die verirrt sind und den Ausstieg schaffen wollen. So endet Hinn das Buch mit einem Kapitel, welches den Titel „Wie man die Verführten erreicht“ trägt.

Er weist seine Leser dabei sehr feinfühlig und biblisch begründet darauf hin, dass es verschiedene Arten von verführten Menschen gibt. Er geht anhand von Judas 17–23 auf drei verschiedene Typen ein: Die Zweifler, die Betrogenen und die Gefährlichen. Für jede Gruppe beschreibt er einen Ansatz, wie man ihr begegnen sollte.

Die zehn Schritte, mit denen er im Anschluss seinen Lesern Hilfestellung bietet, haben mich zutiefst bewegt. Die Art, wie Hinn dafür plädiert, verirrte Menschen zu gewinnen, ist von so viel Demut, Weisheit, Liebe und Gnade geprägt. Ich musste einsehen, dass mir diese Art mit Andersdenkenden umzugehen, vielfach fehlt. Besonders der 4. Punkt, „Sich um ein persönliches Treffen bemühen“, hat einen Nerv bei mir getroffen. Er rät:

„Man sollte auch in Betracht ziehen – Achtung, meine Weisheit ist überwältigend – , eine Freundschaft oder Beziehung mit jemandem einzugehen, mit dem man nicht einer Meinung ist! Ist das nicht unglaublich. […] Ich möchte nicht unverschämt sein, aber mal im Ernst, wir müssen Brücken bauen, um das Herz der Menschen zu erreichen, und zwar durch Beziehungen.“ (S. 206)

Diese zehn praktischen Schritte helfen nicht nur im Umgang mit Menschen, die Anhänger des Wohlstandsevangeliums sind. Sie sind für jede Art von Begegnung mit Andersdenkenden wichtig und relevant.

Was ich erst kritisieren wollte…

Ein Punkt, den ich bis zum Schluss anmerken wollte: Hinn schreibt als Amerikaner aus dem amerikanischen Kontext heraus. Dem deutschen Leser könnte leicht passieren, dass er sich mit den im Buch beschriebenen Problemen gar nicht identifizieren kann. Doch der CLV-Verlag hat einen sehr weisen Weg gewählt, um dieser Gefahr entgegenzuwirken und ein Nachwort für den deutschsprachigen Kontext angehängt. Nicola Vollkommer zeigt darin auf, dass die im Buch beschriebenen verdrehten Meinungen zu Gesundheit und Wohlstand auch in Gemeinden im deutschsprachigen Raum zu finden sind und kontert wie Hinn mit dem biblischen Bild von Nachfolge und Glauben, das auch Leiden enthält. Der Text ist lesenswert und rundet ein hervorragendes Buch auf passende Weise ab.

Für wen ist das Buch geeignet?

Abschließend möchte ich kurz drei Zielgruppen dieses Buches erwähnen.

  • Gemeindeleiter, Pastoren und Älteste sollten dieses Buch lesen, um ein klares Verständnis dafür zu bekommen, welche Gefahr vom Wohlstandsevangelium ausgeht. Dann können sie andere davor bewahren, sich diesen Lehren anzuschließen. Das Wohlstandsevangelium ist mehr und mehr auf dem Vormarsch und findet zunehmend Anklang bei evangelikalen Christen. Es braucht Leiter, die den Bericht von Hinn kennen und seinem Vorbild folgen und demütig und liebevoll die Lügen mit der Bibel aufdecken.
  • Das Buch ist aber auch für alle geschrieben, die Teil der Bewegung sind. Vor allem diejenigen, die an der Lehre des Wohlstandsevangeliums zweifeln, finden in Costi Hinn einen einfühlsamen Begleiter, der ihnen hilft, auszusteigen und das biblische Evangelium zu ergreifen.
  • Es ist zuletzt auch für alle anderen geschrieben, die schon einmal mit Menschen aus der Bewegung des Wohlstandsevangeliums zu tun hatten. Hattest du schon mal ein Streitgespräch zum Thema Heilung? Dieses Buch kann dir eine gute Hilfe bieten, um dich den neuen Strömungen in der evangelikalen Welt mutig und fundiert entgegenzustellen.

Die letzten Worte sollen Costi Hinn gehören. Er schließt sein Buch mit Worten ab, die sehr gut zusammen fassen, in welchem Geist das ganze Buch geschrieben ist:

„Wie jeder Christ möchte auch ich zur Ehre Gottes leben und meine Gaben, Talente, Mittel und auch mein Zeugnis dazu einsetzen, andere auf Gott hinzuweisen. Ich möchte nur ein Königreich, das aufgebaut wird, nur einen König, dem ich diene, und nur einen Namen, der bekannt wird. Jesus ist meine Motivation.“ (S. 219)

Costi W. Hinn, Gott, Gier und Geld. Wie das Wohlstandsevangelium die Wahrheit verdreht. CLV: Bielefeld 2021. 256 Seiten, 12,90 EUR. Das Buch kann auch direkt beim CLV bestellt werden.

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