Ein Besuch in einem albanischen Krankenhaus

von Rahel Fröse am 8. Oktober 2018

Meine Nachbarin ist vor zwei Wochen gestürzt und hat sich den Kiefer verletzt. Sie kam in ein Krankenhaus in Tirana. Es ist das Krankenhaus, in dem alle Notfälle behandelt werden, mit Helikopter Landeplatz direkt vor dem Gebäude.

Aus einer gedachten Kleinigkeit wurde ein zwei wöchiger Aufenthalt. Ungeplant musste sie operiert werden und war darauf hin sehr geschwächt und kaum fähig aufzustehen. Ihr Mann blieb die ganze Zeit an ihrer Seite und ihre drei kleinen Kinder (im Alter unserer Kinder) blieben wohl oder übel allein mit ihrer Schwiegermutter zuhause.

Danny und ich gingen sie nun letzte Woche besuchen. Ich hatte kleine Briefe von ihren Mädels dabei und auch noch einige andere kleine, schöne Dinge.

Vor dem Krankenhaus trafen wir den Mann meiner Nachbarin. Das hatte Gott so geführt. Mir wurde gesagt, sie liegt im zweiten Stock in Zimmer 3. Das klang einfach. Dachte ich mir. Als wir dann den doch recht schönen Eingangsbereich hinter uns gelassen hatten, ging es Treppen hoch und viele viele schmale Gänge entlang, immer wieder. Vorbei an lauter offenen Zimmertüren, durch die man die Patienten oft mit einer ganzen Anzahl von Angehörigen sehen konnte. Hier spätestens war mir wieder klar bewusst: Ich bin in einem albanischen Krankenhaus. Keine Privatsphäre, schlechte Betten, einfachste Ausstattung.

Dann kamen wir in Elenas (Name geändert) Zimmer. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Obwohl ich doch weiß, dass wir in Albanien sind. Dennoch.
Naja, es war ein sehr kleines Zimmer. Das kleine Fenster zugehängt, der Putz an der Wand am Abblättern. Und da standen drei Betten. Auf engstem Raum. Noch zwei ältere Frauen lagen dort. Eine mit Zahnproblemen und eine mit einem Gips am Bein. Neben dem Bett ein kleiner drehbarer Hocker. Ich wurde gleich gewarnt, bevor ich mich mit Henry setzen wollte, dass er wackelt und ich leicht fallen könnte. Am besten ruhig in der Mitte sitzen. Langsam versuchte ich es. Er hielt. Das war der Platz, auf dem der Ehemann die letzten knapp zwei Wochen seine Tage und Nächte verbrachte. Er schlief tatsächlich auf diesem Hocker sitzend mit dem Kopf auf dem Bett. Kaum zu glauben...

Meiner Nachbarin kamen die Tränen. Und mir auch. Ich übergab ihr nach einer herzlichen Begrüßung die Briefe der Kinder und meine kleinen Geschenke. Auch der Mann hatte Tränen in den Augen, worauf hin er sich gleich die Rüge der älteren Frau einholte. Das ist eine Schande, als Mann weint man doch nicht. ... ja, diese Meinung herrscht hier noch. Ich sagte meine Meinung dazu. Etwas später kam die Krankenschwester und wechselte die Infusion. Nicht ohne uns vorzuwerfen, wie wir mit kleinen Kindern hier herkommen könnten... mehr als Infusionen wechseln tun die Krankenschwestern oftmals nicht. Alle anderen Arbeiten sind den Angehörigen überlassen. Das ist unglaublich für deutsche Ohren und Augen.

Wir blieben nicht allzu lange. Ich ließ ihr etwas lesen da und betete am Ende noch für Elena. Danny drückte dem Mann noch Geld in die Hand. Krankenhausrechnungen sind sehr hoch und alles muss selbst bezahlt werden. 
Als wir gingen, sah ich, wie sie ungehemmt begann zu weinen. Mir brach es das Herz und am liebsten wäre ich zurück und hätte sie nochmal fest gedrückt.

Ihr Mann begleitete uns hinaus. Er erzählte uns wie er der Ärztin vor jeder Visite erstmal umgerechnet 7 € in die Hand drückt, um auch sicher zu sein, dass sie sich „bemüht“, dass sie weiterhin kommt und die Sache ernst nimmt. In mir sträubt sich alles, wenn ich so was höre. Solch ein korruptes System. Solch eine Ausbeuterei. Solch eine Ungerechtigkeit! Es macht mich ärgerlich. Man kommt hier fast nicht darum herum, dieses System auch noch zu unterstützen. Aber natürlich will man, dass sich gut gekümmert wird. Was soll man da machen?

Ich sage zu Danny nur, dass ich solche Angst hätte, wenn ich in solch ein Krankenhaus müsste und da behandelt werden würde. Das wird wahrscheinlich nie vorkommen. Aber all die Menschen hier sind dem ausgeliefert. Und das ist noch eines der wirklich guten. Wieviel schlechter geht es den meisten Albanern. 

Ich verstehe nun sehr gut, warum das ein sehr großer Wunsch der Menschen gegenseitig ist: bleib gesund! Gesundheit ist alles! Usw.

Und ich bin einfach nur dankbar für unser gutes deutsches medizinisches System.
Ich habe mir angewöhnt, immer wenn ich in Deutschland in einem Wartezimmer sitze, Gott einfach nur zu danken für den Luxus. Ich weiß, dass auch in unserem Land nicht alles nur toll ist. Doch vergleiche es mit hier, und ja, es ist toll! 

Meine Nachbarin kam vor zwei Tagen heim. Immer noch sehr schwach. Heute hörte ich, dass gesagt wird, sie hat ein Bein gebrochen, da sie mit einem Rollstuhl gefahren wurde. Das stimmt nicht. Doch die Gerüchteküche unserer kleinen Stadt brodelt. Doch das ist ein anderes Thema. Es geht ihr immer besser. Das schlimmste hat sie überstanden.

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