Der kleine Samuel und die Sache mit dem Tod in Albanien

von Rahel Fröse am 26. Februar 2020

Warum wir Samuel kannten 

Vor ein paar Tagen haben wir von dem Tod eines kleinen Jungen, sieben Jahre alt, gehört. Dieser Junge, Samuel hieß er, hatte ein krankes Auge, was ihn zum Gespött vieler Kinder werden ließ. Das veranlasste ihn, das Haus nicht oft zu verlassen. Zu unserem Kindersommerprogramm letztes Jahr kam er jedoch immer mit großer Freude und es war so schön zu sehen, wie er sich wohl fühlte und einfach einer von allen anderen war.

Zu unserem Abschlussfest am Ende der Woche kam, als eine der wenigen Mütter, auch seine Mutter. Ich unterhielt mich mit ihr und sie erzählte, wie froh er war in diesen Tagen und wie wohl er sich bei uns gefühlt hat. Jeden Tag bat er seine Mutter inständig, doch zu den „Deutschen“ gehen zu dürfen. Sie selbst wollte nun sehen, wer wir sind und warum das so war.

Samuel wurde bald darauf wohl sehr krank. (Er war es auch zu dem Zeitpunkt der Kinderwoche schon.) Leider hatten wir seitdem keinen Kontakt mehr zu der Familie. Jetzt hörten wir von seinem Tod. Es hat uns tief getroffen. Ich habe geweint um diesen Jungen und sein kurzes Leben. Wer von uns hätte im Sommer gedacht, dass er schon wenige Monate später nicht mehr leben würde.

Wie Beerdigungen in Albanien ablaufen 

Gestern gingen wir dann zum Trauerbesuch zu der Familie. Innerhalb von 24 Stunden werden hier die Toten beerdigt. Wenn jemand am Abend verstirbt, wird er normalerweise am folgenden Tag um die Mittagszeit beigesetzt. So schnell… 

Alles folgt einer ganz genauen Tradition. Bevor der Tote beigesetzt wird, wird er im Sarg aufgebahrt vor seinem Haus. Die Familie steht hinter dem Sarg und viele Männer (nur Männer) der Stadt gehen, einer nach dem anderen am Sarg vorbei und wünschen jedem der Familienangehörigen „Zoti te le shenosh“ (Gott erhalte dich gesund). Dann wird der Sarg zugemacht und zum Friedhof gefahren. Alle Männer (keine Frauen, nicht mal ganz nahe Angehörige) begleiten den Sarg und wohnen dann der Beisetzung bei. Manchmal findet diese ganz ohne Worte statt. Manchmal betet der Imam der Stadt. Dann wird zugeschaufelt und die Menge löst sich auf. 

Der Besuchsmarathon an den Tagen danach

An diesem und an den vier darauf folgenden Vormittagen empfängt die Familie dann Besucher. Das sieht dann so aus: die männlichen Angehörigen sind in einem Café versammelt und dorthin kommen dann die Männer der Stadt zum Respektsbesuch. Man gibt jedem der Angehörigen die Hand, spricht Anteilnahme aus, trinkt einen Kaffee und legt dann 500lek auf das Tablett. Nach kurzer wertloser Zeit geht man dann wieder. Die Namen der Besucher und wieviel sie dagelassen haben, wird genau aufgeschrieben. Dieses Buch dient dann dafür, um zu wissen, zu welchen Beerdigungen man in Zukunft gehen muss. (Man geht hier durchaus nicht nur auf Beerdigungen von Menschen, die man persönlich kannte. Es reicht, wenn die Person Teil einer Familie ist, die man kennt…)

Die Frauen treffen sich im Haus des Verstorbenen. Vor der Tür stehen Frauen, die einen in die entsprechende Wohnung führen. Auf der Straße davor (auch vor der Café, steht ein Stuhl mit einem weißen Handtuch darüber - für alle ein Zeichen, dass dort ein Trauerfall ist). Im Wohnzimmer sitzen dann die Weiblichen Angehörigen, alle auf Sofas. Die nächste Angehörige, hier im Fall von Samuel die Mutter und dann die Oma, wird als erstes kondoliert. Dann geht man die ganz Reihe durch. Am Ende setzt man sich auch hin, bekommt einen Kaffee und hinterlässt 500lek auf dem Tablett. Nach einiger Zeit steht man auf, geht wieder durch die ganze Reihe durch und verabschiedet sich. 

Je nachdem, wer gestorben ist, kann es sein, dass gut die ganze Stadt verteilt an diesen fünf Tagen zu Besuch kommt. Das Geld hilft der Familie, die Kosten der Beerdigung zu tragen und darüber hinaus. 

Unser Besuch bei Samuels Familie 

Samuel hatte in einem der Hochhäuser hier gewohnt. Eine typische Wohnung, nicht reich, aber auch nicht zu arm. Die Mutter war sichtlich noch unter Schock. Sie weinte nicht, sie saß mit geneigtem Blick da. Keiner weinte. Dennoch bestimmte Trauer die Stimmung. Wir saßen da und schwiegen erst einmal. Die Menschen hier freuen sich und respektieren sehr, dass wir zu solchen Anlässen kommen und ihnen damit Respekt zollen. 

Nach einer Weile erzählen wir, woher wir Samuel kennen und welche Freude er auch in unser Herz gebracht hat durch die Freude, die er ausstrahlte. Und war sagten, dass wir für sie beten. Wir fragten, ob wir gleich beten dürften in Jesu Namen. 

Als wir begannen, da fingen plötzlich viele an zu weinen und es war, als würde ein Damm brechen und endlich bekam das Raum, was jeder versuchte in seinem Herzen einzusperren. Es war besonders. Es war hart. Ich kämpfte mit meinen eigenen Tränen, rang um die richtigen Worte in solch einer schweren Situation. 

Darum sind wir hier

Nicht immer ist es uns möglich zu beten. Aber zu sitzen und die Trauernden zu sehen, die ja so oft keine Hoffnung und Gewissheit haben, das bricht mir das Herz. 

Diese Zeiten erinnern mich wie keine anderen daran, warum wir hier sind und warum die Nachricht der Hoffnung hier endlich tiefe Wurzeln schlagen muss und Menschen erfüllt werden mit dem Licht des Evangeliums.

Photo by Ayanna Johnson on Unsplash

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