Das waren Zeiten

von Rahel Fröse am 13. Februar 2020

Vor ein paar Tagen haben wir hier unsere zweite junge Lernhelferin begrüßt. Sie wird noch ein halbes Jahr mit uns in unserer schönen Stadt verbringen und uns v.a. beim unterrichten unserer Kinder unterstützen. Als ich am Samstag mit unserer anderen Lernhelferin zum Flughafen gefahren bin und wir uns so unterhielten, da erzählte ich von meiner Zeit als junges Mädel. Ich war fertig mit dem Gymnasium und mein Traum war es, für ein Jahr nach Haiti zu gehen. Das hatte ich schon drei Jahre zuvor von Gott fest aufs Herz gelegt bekommen. 

Meine Reise in die Ferne

Ich erinnerte mich zurück an diese aufregende und so prägende Zeit. Ich war gerade 20 geworden, als ich mich allein aufmachte, mit zwei schweren Koffern und ordentlichem Herzklopfen. Von einem kleinen Flughafen in Oberfranken flog ich nach Frankfurt, von dort nach Paris. Dann ging es das erste mal für mich über den großen Ozean. Ich erinnere mich noch so gut, wie ich mir wünschte, einfach jemand bekanntes dabei zu haben, und wenn es nur mein damals sieben Jahre alter Bruder gewesen wäre.

In Miami angekommen musste ich auschecken, mein kleines Hotel finden unter hunderten anderen und am nächsten morgen rechtzeitig aufstehen, um den frühen Flug, mit fast nur schwarzen Menschen („Was will nur dieses junge blonde Mädel ganz allein unter all diesen Menschen?“ - das kommunizierten mir viele interessierte Blicke) zu bekommen. In der Zwischenzeit, seit meinem Abflug in Deutschland, wurde Haiti von einer großen Überschwemmung heimgesucht. Das erzählten mir meine nicht ganz unbesorgten Eltern, als ich gerade froh war, mein Hotelzimmer gefunden zu haben und erstmal eine kleine Last von mir abfiel. Da kam die nächste Sorge. Werde ich reisen können? 

Doch alles klappte. Die Überschwemmungen waren mehr im Norden des Landes gewesen und daher war meine Fahrt in den Süden Haitis nicht betroffen. 

Das Abenteuer beginnt

Nach dieser abenteuerlichen Reise (oh, Gott hatte mir so viele Engel in unterschiedlichen Personen geschickt, die mich den ganzen Weg begleitet hatten…) begann das Abenteuer der jungen Rahel Hasch. Weit weg von allem bekannten eröffnete sich mir eine neue Welt, neue Menschen, neue Gerüche, neue Ansichten und Weltsichten, eine neue Sprache (die wesentlich einfacher ist als albanisch), und vor allem tauchte ich in eine bisher noch nicht gekannte Tiefe der Beziehung zu Gott ein. (Am Ende des Artikels findest du ein paar Fotos von der Zeit.)

Ohne Verbindung zur Aussenwelt

Ein Grund dafür sehe ich darin: damals, also 2004, da hatte noch nicht jeder ein Smartphone (und schon gar nicht ich, junges Mädel vom Lande…). Ich hatte keinen Laptop dabei. Und stellt euch vor, es gab noch kein WhatsApp oder irgendwelche anderen sozialen Netzwerke. (Um genau zu sein, wurde Facebook genau in diesem Jahr gegründet…). In meinen 10 Monaten in Haiti telefonierte ich vielleicht fünfmal mit meiner Familie. Schlechte Qualität der Verbindung und hohe Kosten mussten wir dabei in Kauf nehmen. Ansonsten schrieb ich hier und da eine Mail und unzählige Briefe. 

Zeit zum Schreiben im Überfluss

Und was ich alles geschrieben habe. Ich habe letztens meine Tagebücher aus dieser Zeit gefunden. Sage und schreibe vier Stück, in kleinster Schrift, ordentlich und sauber geschrieben. Sie lesen sich wie ein Roman. Was hatte ich da doch für Zeit gehabt. Und für ein Bedürfnis, mich mitzuteilen, und wenn auch nur meinem Tagebuch.

Ich hatte am Abend, wenn es dunkel war und man im Haus sein musste, kein Smartphone neben mir liegen, welches mich durch Piepstöne immer wieder unterbrechen konnte, keine Familienmitglieder oder Freunde, die ganz schnell und ganz dringend etwas wissen wollten. Kein Netflix oder Amazon Prime, das mich vielleicht an dem ein oder anderen einsamen Abend verführt hätte, mich in andere Welten versinken zu lassen. 

Das Geschenk ganz da zu sein

Nein, ich war da. Ich war vor Ort. Ich war ganz da, mit meinem ganzen Herzen und meiner ganzen Seele. Ja, ich war manchmal einsam und sicher wäre es schön gewesen, etwas öfter Kontakt mit dem ein oder anderen gehabt zu haben. Aber dann hätte es auch nicht diese aufregenden Momente gegeben, als wieder mal ein großer Postsack aus der Hauptstadt gebracht wurde und hunderte Briefe von allen Missionaren der großen Missionsstation auf dem Boden ausgeschüttet wurden. Und die Freude, wenn unter all den Briefen auch einer für mich war. Von so weit her, aus meiner Heimat, einer anderen Welt. 

Ein Leben ohne Ablenkung

Ich bin heute so froh, dass damals noch diese Zeit der geringen Ablenkung (im Vergleich zu heute) herrschte. Abends saß ich an meinem Schreibtisch und schrieb. Jeden Tag, oft morgens (nach meinem 6 Uhr Spaziergang) und abends. Ich schrieb und schrieb. Schrieb mir alles von der Seele und Gott zu. Er hörte zu. Und er brachte mich in dieser Zeit zu einer neuen Reife. Einer neuen Abhängigkeit. Einer tiefen Sehnsucht nach ihm und der Gemeinschaft mit ihm. Er weckte in mir noch mehr wie zuvor, die Lust zum Schreiben. Zum verarbeiten, zum beten in schriftlicher Form. 

Zurück in unserer Zeit

Als ich meinem Sohn heute eine Auszeit gab und es im Zimmer so ruhig war, dass ich dachte, er sei eingeschlafen, da saß er am Tisch und schrieb in sein neues Tagebuch. Er schrieb los: „Gestern…“. Beginnt so die Karriere meines Sohnes als Schreiber? Ich erzählte ihm von meinen Tagebüchern und davon, dass sie sie eines Tages alle lesen dürfen und sie dann wahrscheinlich ihre Mama noch einmal tiefer kennenlernen werden. Das ist ein Schatz. Ein unbezahlbarer Schatz für mich!

Ja, das waren noch Zeiten. Sie haben sich geändert. So viel hat sich in diesen 15 Jahren verändert. So viel. Ich wünschte mir, ich ließe mich weniger ablenken und stattdessen würde ich sitzen, bei Kerzenschein, Tag ein, Tag aus, und würde schreiben… 

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