Heute um ca. 4 Uhr morgens hat Albanien das stärkste Erdbeben seit einigen Jahrzehnten erschüttert.
Seit wir in Albanien leben, haben wir immer mal wieder kleinere Erschütterungen gespürt. Auch wenn es nicht viel war, hatte ich doch immer so ein komisches Gefühl in mir. Da passiert etwas und du hast absolut keine Kontrolle darüber. Einfach alles um dich wackelt und zittert. Man schaut sich um und wartet, dass es vorbei geht. Alles, was sonst doch so fest und sicher steht, ist auf einmal gar nicht mehr so sicher und fest.
Heute Nacht lagen wir in unserem Bett. Henry schlief sehr unruhig und wir waren öfter wach wegen ihm. Dann plötzlich wackelte die Erde. Wir spürten es so deutlich wie noch nie zuvor. Eine ganz Weile ging es so. Es schepperte etwas, ein Bilderrahmen fiel von der Wand, die Bücher auf unserem Regal bewegten sich und eines fiel mit einem Knall zu Boden und riss die Lampe mit. Ein kurzer Impuls in mir sagte: wir müssen raus. Und als ich es Danny gesagt hatte, da war es wieder ruhig. Das wackeln war zu Ende.
Als ich um sechs Uhr dann zu unseren Nachbarn von unten ging, hatten sie schon die Nachrichten an und erzählten von den Zerstörungen in Durres und anderen Städten.
Ich bin froh, dass bei uns nichts passiert ist und gleichzeitig tut es mir sehr leid für die Menschen, die viel verloren haben.
Die Schule fiel heute landesweit aus. Wohl aus Angst vor Nachbeben. Unsere Kinder haben sich natürlich darüber gefreut.
Mir geht es schon noch nach, dieses komische Gefühl, plötzlich keinen festen Boden mehr unter den Füßen haben zu können. Hilflos einer großen und mächtigen Naturgewalt ausgeliefert zu sein. Von jetzt auf gleich, urplötzlich, kann alles anders sein. Könnte dein Leben zu Ende sein. Könntest du alles verlieren. Von jetzt auf gleich könnte das, was am Tag zuvor noch groß und wichtig erschien, komplett an Bedeutung verlieren. Irgendwie erschreckend.
Mir ist bewusst, dass es dafür nicht ein Erdbeben braucht. Keines der Art, wie wir es letzte Nacht erlebt haben. Vielleicht hast du vor kurzem ein Erdbeben ganz anderer Art erlebt. Deine gesamte Welt wackelt. Nichts scheint mehr fest und sicher. Vielleicht ist es eine Krankheit, eine neue Diagnose oder auch der Kampf mit den immer währenden Schmerzen.
Vielleicht ist es ein Kind, das ganz andere Wege geht, wie du es dir gewünscht hättest, vielleicht ist ein lieber Mensch gestorben, vielleicht ist deine Arbeit unsicher, deine Ehe am bröckeln. Vielleicht erlebst du am laufenden Band Nachbeben und weißt gar nicht mehr genau, wo du dich noch festhalten kannst. Vielleicht wackelt dein Bild von dir selbst, vielleicht hasst du dich selber für etwas, was du getan oder nicht getan hast. Vielleicht stehst du vor dem Trümmerhaufen einer Beziehung und du hast keine Ahnung, wie du daraus wieder etwas neues bauen kannst.
In unserem Leben gibt es Beben ganz unterschiedlicher Art. Und ich bin mir sicher, dass jeder schon mal eines erlebt hat, oder erleben wird. Die Stärke mag variieren, aber der Effekt in uns ist ähnlich: nichts ist so, wie es vorher war. Sicherheiten schwinden. Die Zukunft vernebelt sich. Ich bin am Boden und kenn den nächsten Schritt nicht mehr.
Ich selbst habe das am 29. Februar 2012 erlebt. Ich saß mit meinem kleinen Sohn Gideon, gerade mal fünf Monate alt, im Wartezimmer eines Radiologen in Freiburg. Danny hatte einige Symptome, die er abklären wollte. Dafür ließ er ein MRT seines Kopfes machen. Wir warteten. Innerlich dachte ich immer wieder: nein, das kann nicht sein. Dannys Onkel und Tante hatten bzw. haben MS, sein Bruder hat es, nein, das kann doch nicht sein, dass er es auch hat. Ich schob diese Gedanken weg.
Doch dann wurden wir ins Zimmer gerufen. Auf einem großen Monitor sahen wir die Bilder von Dannys Kopf. Gideon saß etwas unruhig auf meinem Schoß, als uns der Arzt ehrlich und irgendwie auch traurig sagen musste, dass die weißen Flecken nichts gutes bedeuten und auf MS schließen lassen. Unter mir bebte es. Ich verstand kaum noch, was geredet wurde. Mein Mann also auch MS krank? Alles war plötzlich anders.
Als wir in die Sonne nach draußen traten, vor der Tür, hob Danny seine Arme und lobte Gott. Ich konnte das in diesem Moment nicht...
In mir zerbrachen meine Lebensträume. Der Traum von einer großen Familie. Der Traum vom Leben im Ausland im Dienst für den Herrn. Wollte Gott das etwa alles nicht mehr für mich? Meine Sicherheiten schwanden dahin. Wird Danny je mit seinem Sohn Fußball spielen können, wie lange wird er uns versorgen können?
In der darauf folgenden Zeit allerdings erlebte ich Gottes Hilfe und Zuspruch. Und ich durfte über die Jahre einen gewissen Frieden finden. Gott war treu und wir sind seinen Weg für uns weiter gegangen. Ins Ausland. In eine große Familie. Im Glauben und Vertrauen auf ihn!
Ich weiß nicht, wo du gerade stehst. Fühlst du dich wackelig auf den Beinen, unsicher und verlassen von Gott? Ist deine Zukunft nur ein einziger dichter Nebel vor deinen Augen? Siehst du den nächsten Schritt nicht? Hast du Angst und überwältigt dich ein Sorgenheer, manchmal des nachts, wie uns das Erdbeben zuletzt und du bist machtlos dagegen?
Dann will ich dir laut einen Vers zurufen! Es ist ein Satz, ganz am Ende der fünf Bücher Mose. Was für eine Geschichte lag hinter dem Volk Israel, was für eine Tragöde, was für Treubrüche und was für Wunder haben sie doch erlebt. Aber Gott war seinen ungehorsamen Kindern immer treu gewesen, auch wenn sie ihn bis ans Äußerste getrieben hatten.
Was steht nun hier, am Ende der langen Wüstenwanderung?
Eine Zuflucht ist der Gott der Urzeit,
(5. Mose 33, 27)
Und unter dir sind ewige Arme.
Gott ist der gleiche von Ewigkeit.
Er ist unsere Zuflucht!
Er ist unser sicherer Ort!
Er ist unsere Burg und unser Schild.
Bei ihm dürfen wir uns immer bergen!
Wenn alles wankt, er steht fest!
Seine ewigen, liebenden Vaterarme sind unter dir. Immer. Unerschütterlich.
Wenn du fällst, du fällst in sie.
Den ganzen Weg, bis in unser verheißenes Land,
sind seine Arme unter dir und tragen dich.
Fasse Mut!
Eine Zuflucht ist dir der Gott der Urzeit!
Unter dir sind seine ewigen Arme! Immer!
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