Von den vielen verborgenen Heldinnen

Schon seit ich noch ein junges Mädchen war, vielleicht 12 Jahre alt, war ich begeistert von Mutter Teresa. Ich verschlang Bücher über sie, hielt Referate über ihr Leben in der Schule, hatte ihr Gebetsbuch und ließ mich von ihren Gebeten inspirieren für mein eigenes Gebetsleben. Wenn ich mit der Schule fertig sein würde, wollte ich auf jeden Fall mal ein Jahr zu den Schwestern der Nächstenliebe nach Kalkutta. Ich sah mich schon mit abgemagerten und dreckigen Kindern im Arm und sehnte mich danach, diesen vergessenen Menschen Jesu Liebe zu bringen. Als Mutter Teresa dann 1997 starb (wir waren gerade in Spanien auf einer Familienfreizeit) war ich auch sehr bewegt und befasste mich weiterhin sehr mit ihr. 

Wusstest du, dass Mutter Teresa eine Albanerin war? Sie wird hier in Albanien als Nationalheldin verehrt, es gibt einen extra Feiertag für sie und hier und da sieht man Statuen von ihr. Sie ist eine Heldin für dieses Land und für die ganze Welt. 

Doch hier will ich nicht über sie schreiben. Schon lange liegt es mir auf dem Herzen, über andere Heldinnen zu schreiben. Frauen, die im verborgenen leben, alleine kämpfen und leiden. Frauen, die mir in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sind. Je länger ich hier lebe und je mehr Schicksale von Frauen ich mitbekomme, je mehr Frauen mir gegenüber sitzen und mir ihre Geschichte erzählen, desto mehr wächst in mir die Ehrfurcht vor diesen Heldinnen. Nach außen sehen sie nicht so aus. Vielleicht erscheinen sie auf den ersten Blick auch als schwach und gleichgültig, nicht ehrgeizig genug, sich in ihr Schicksal ergeben ohne zu kämpfen… So dachte ich manchmal. Doch je mehr ich mitbekomme, je mehr sich mein Herz mit ihrem verbindet, desto mehr sehe ich auch die Kraft und Stärke, die in ihnen liegt. 

Manchmal sitze ich da und bin beschämt. Beschämt, wenn ich mitbekomme, wie schwer ihr Leben war und ist. Wenn ich darüber nachdenke, wie sie ihr ganzes Leben nur gedient haben und dienen. Wie sie es selbstlos und selbstverständlich tun. Wie sie sich hingeben für ihren Mann und vor allem für ihre Kinder. Wie schnell bin ich am klagen und wie schnell ärgere ich mich schon mal über dieses oder jenes Verhalten von meinem Mann oder meinen Kindern.

Hier sitze ich Frauen gegenüber, die viele Kinder geboren haben, oder die Scham der Kinderlosigkeit ertragen mussten. Frauen, deren Kinder gestorben sind, bevor sie drei Jahre alt waren, Frauen, deren Männer im Gefängnis sitzen, die trinken, sie schlagen, sie anschreien, ihnen untreu sind und selber aber ihre Frauen vor Eifersucht zuhause einsperren. 

In so viele Augen habe ich geschaut, die sich mit Tränen gefüllt haben, zitternde Lippen, ein nach Fassung suchendes Herz, das aber manchmal einen Raum braucht um all den Schmerz freizulassen, der viel zu oft viel zu lang viel zu fest verschlossen ist. Es ist eine Art, sich zu schützen, abzustumpfen, all das Elend zu ertragen.

„Ich will gar nicht mehr haben, reicher sein,  ich will nur ruhig leben.“ 

„Seit zwanzig Jahren leide ich unter diesem Mann. Ich lebe nur noch für meine Kinder. Dass sie ein besseres Leben haben…“

„Ich habe als Kind solche Armut erlebt, dass ich jetzt mit diesem kleinen bescheidenen Leben so zufrieden bin…“

„Ich könnte unsere miserablen Lebensumstände so viel besser ertragen, wenn mein Mann nur nicht immer betrunken nach Hause kommen und alles Geld ausgeben würde…“

Die Nöte sind vielschichtig. Aber ich bewundere diese Frauen, wie sie sich so oft doch so eine Fröhlichkeit bewahrt haben, ihre Gesichtszüge weich geblieben sind, sie sich immer wieder investieren in eine schier aussichtslose Beziehung, wie sie dienen, ganz selbstverständlich, sich zurücknehmen und für andere leben. 

Manchmal kommt man als Ausländer an, sieht ungerechte Lebenssituationen, denkt, dass man sich doch das alles nicht gefallen lassen kann, dass man doch aufstehen muss, zur Polizei gehen, die Familie einschalten, und überhaupt: tu doch etwas dagegen!

Doch jetzt sitze ich oft da, spüre meine eigene Unfähigkeit wirklich zu helfen. Ich höre mir Geschichten ruhig an. Ich weine mit. Ich habe in meinem Herzen großen Respekt. Ich drücke diesen aus. Ich umarme und ich segne in Jesu Namen. Und ich biete ihnen die effektivste Hilfe überhaupt an: für sie zu beten. Ich sehe dann ein wenig mehr Hoffnung in diesen Augen, ich sehe eine große Dankbarkeit und Wärme in dem, wie sie meine Hand halten. Ich möchte so gerne diese Frauen direkt in Jesu Arme lieben und sie dort lassen. 

Ich habe gegeben, was ich konnte, und bin doch beschenkt durch das Beispiel von Frauen, die innere Stärke und Würde leben inmitten von lebensfeindlichen Umständen. Sie sind meine Heldinnen. Hier mitten in meiner Mitte. Ich will sie ehren und lieben und von ihnen lernen. 

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung - aus dem Leben einer Freundin


Es ist noch dunkel draußen. So langsam macht sich die Kälte im Haus breit. Die Nächte werden kälter und am Morgen bedeckt der nasse Tau alles, auch die Wäsche, die in diesen Tagen kaum trocknen will. Die Glühbirne an der Decke hat selbst ihr trübes Licht ausgehaucht und hängt schon seit ein paar Tagen nur noch als unschöne Deko von der abblätternden Decke. Das Licht vom Flur muss genügen. Alma rafft sich auf und steigt aus dem Bett. Die Kälte kriecht in alle Glieder. Sie holt Holz und beginnt gegen die Nässe anzukämpfen und ein Feuer zu entzünden. 

Ihre Gedanken gehen zu ihrem ältesten Sohn, der vor einigen Monaten, kurz vor seinem 18.Geburtstag, illegal nach England gereist war. Wie es ihm wohl gerade geht? Ob er friert? Ach nein, in England ist ja alles besser. Da gibt es sicher keine Kälte in Häusern. Verschlafen kommt ihr zweiter Sohn zur Tür herein, gähnt und verlangt von seiner Mutter seine Lieblingshose, die er aber gestern beim Fußball spielen komplett verdreckt hatte. Mit ein paar unschönen Worten beschwert er sich, dass sie noch nicht gewaschen ist. 

Mit kalten Fingern beginnt Alma, sich einen Kaffee auf ihrem kleinen Bunsenbrenner zu kochen. Hätte ich nur ein Mädchen, dann würde sie mir jetzt den Kaffee kochen und ich könnte schon mit dem Hausputz beginnen.  Obwohl sie dankbar sein kann für ihre drei Jungs und in ihrer Kultur dafür als glücklich angesehen wird, sehnt sie sich nach einem Mädchen. Jungen helfen ja gar nicht, so wenig, wie ihr Vater. Da kommen wieder diese mulmigen Gefühle und ihr Herz zieht sich zusammen bei dem Gedanken an letzte Nacht. Ihr Mann kam völlig betrunken nach Hause. Den ganzen Tag war er weggeblieben und hatte das wenige Geld, das er als Tagelöhner bekommen hatte, sofort wieder ausgegeben. Getrunken und gespielt. Sinnlos. Nichts war übrig geblieben. Die Verzweiflung in ihrem Herzen trieb ihr die Tränen in die Augen. Fast wäre ihr Kaffee übergekocht. 

Vor 20 Jahren war Alma noch ein vergnügtes junges Mädchen gewesen, hatte mit ihrer Familie ein einfaches, aber schönes Leben im Dorf gehabt. Trieb jeden Morgen früh die Kühe auf die Weide, träumte tagsüber von ihrem Leben und was es bringen würde. Wie sie einen Mann haben wird, der sie respektiert und die Familie versorgt. Sie selbst, inmitten ihrer wohlerzogenen, hübsch angezogenen, spielenden, fröhlichen Kinder…

Doch warum haben ihre Eltern gerade diesen Mann für sie ausgesucht. Alle seine acht Brüder sind recht ordentliche Männer geworden, nur ihrer ist wie das verlorene Schaf, der verlorene Sohn, der im Dreck liegt und nicht aufstehen kann. Schon einmal war er 10 Jahre im Gefängnis gewesen und sie hatte auf ihn gewartet, die ganze lange Zeit. Da erinnert sie sich wage an die Geschichte, die ihr ihre Freundin erzählt hatte. In dieser Geschichte stand doch der verlorene Sohn auf und ging nach Hause, zum Vater. Und was sagte mir meine Freundin immer wieder: Gib die Hoffnung nicht auf. Jesus hat die Macht auch diesen verlorenen Sohn zurückzuholen und zu verändern. 

Leider ist seit vielen Jahren Gebet noch nicht viel passiert. Dennoch erinnert sich Alma nur zu genau, wie durch Gebet im Namen Jesu eine dunkle, staubige, traurige Decke von ihr gehoben wurde und ihr Herz, wann immer sie an Jesus denkt, leicht und freudig wird. Er hat sie befreit von den Tränen, die sich immer wie ein nicht versiegender Bach Bahn machten, wann immer die Verzweiflung zu groß wurde. Jesus ist ihre einzige Hoffnung, das weiß sie. Zuletzt hatten sie eine Kinderbibel gemeinsam gelesen. Die Bilder und der Text hatten sie so berührt. Wie ein Kind hat sie da gestaunt, über Gottes Geschichte mit den Menschen. Sie wollte ja zu Beginn gar nicht glauben, dass sie Sünderin ist. Nein. Sie ist doch nicht so schlimm wie die anderen. Sie trinkt nicht, stiehlt nicht, hat noch nie jemanden umgebracht oder ein schlechtes Wort gesagt. Naja, fast nie. Braucht auch sie wirklich einen Retter? Braucht auch sie wirklich Jesus?

Langsam wird es hell. Noch liegt dichter Nebel über dem Land und vor ihrer Tür. Doch mit Macht dringt die Sonne immer weiter vor. Schon ist sie über dem hohen Berg hinter ihrem Haus emporgestiegen. Stück für Stück hebt sich die dicke Nebelwand. Immer mehr vergehen die scheinbar undurchdringlichen Schwaden und machen den Blick frei. Auf einmal ist da der blaue Himmel, nur ein kleines Stück erst. Und auf einmal ist da die Sonne, die auf ihr Gesicht scheint und die Wärme spürt sie wie durch ihren Körper spazieren. Langsam verblassen die schweren Gedanken und sie machen Raum für diese Hoffnung, die doch da sein muss und stärker ist!

Sie macht weiter. Beginnt mit ihrer Arbeit, verabschiedet die Söhne zur Schule, fängt an zu kochen mit dem wenigen was sie hat, unterhält das Feuer und atmet tief durch und flüstert leise, kaum hörbar: Jesus.

Der kleine Samuel und die Sache mit dem Tod in Albanien

Warum wir Samuel kannten 

Vor ein paar Tagen haben wir von dem Tod eines kleinen Jungen, sieben Jahre alt, gehört. Dieser Junge, Samuel hieß er, hatte ein krankes Auge, was ihn zum Gespött vieler Kinder werden ließ. Das veranlasste ihn, das Haus nicht oft zu verlassen. Zu unserem Kindersommerprogramm letztes Jahr kam er jedoch immer mit großer Freude und es war so schön zu sehen, wie er sich wohl fühlte und einfach einer von allen anderen war.

Zu unserem Abschlussfest am Ende der Woche kam, als eine der wenigen Mütter, auch seine Mutter. Ich unterhielt mich mit ihr und sie erzählte, wie froh er war in diesen Tagen und wie wohl er sich bei uns gefühlt hat. Jeden Tag bat er seine Mutter inständig, doch zu den „Deutschen“ gehen zu dürfen. Sie selbst wollte nun sehen, wer wir sind und warum das so war.

Samuel wurde bald darauf wohl sehr krank. (Er war es auch zu dem Zeitpunkt der Kinderwoche schon.) Leider hatten wir seitdem keinen Kontakt mehr zu der Familie. Jetzt hörten wir von seinem Tod. Es hat uns tief getroffen. Ich habe geweint um diesen Jungen und sein kurzes Leben. Wer von uns hätte im Sommer gedacht, dass er schon wenige Monate später nicht mehr leben würde.

Wie Beerdigungen in Albanien ablaufen 

Gestern gingen wir dann zum Trauerbesuch zu der Familie. Innerhalb von 24 Stunden werden hier die Toten beerdigt. Wenn jemand am Abend verstirbt, wird er normalerweise am folgenden Tag um die Mittagszeit beigesetzt. So schnell… 

Alles folgt einer ganz genauen Tradition. Bevor der Tote beigesetzt wird, wird er im Sarg aufgebahrt vor seinem Haus. Die Familie steht hinter dem Sarg und viele Männer (nur Männer) der Stadt gehen, einer nach dem anderen am Sarg vorbei und wünschen jedem der Familienangehörigen „Zoti te le shenosh“ (Gott erhalte dich gesund). Dann wird der Sarg zugemacht und zum Friedhof gefahren. Alle Männer (keine Frauen, nicht mal ganz nahe Angehörige) begleiten den Sarg und wohnen dann der Beisetzung bei. Manchmal findet diese ganz ohne Worte statt. Manchmal betet der Imam der Stadt. Dann wird zugeschaufelt und die Menge löst sich auf. 

Der Besuchsmarathon an den Tagen danach

An diesem und an den vier darauf folgenden Vormittagen empfängt die Familie dann Besucher. Das sieht dann so aus: die männlichen Angehörigen sind in einem Café versammelt und dorthin kommen dann die Männer der Stadt zum Respektsbesuch. Man gibt jedem der Angehörigen die Hand, spricht Anteilnahme aus, trinkt einen Kaffee und legt dann 500lek auf das Tablett. Nach kurzer wertloser Zeit geht man dann wieder. Die Namen der Besucher und wieviel sie dagelassen haben, wird genau aufgeschrieben. Dieses Buch dient dann dafür, um zu wissen, zu welchen Beerdigungen man in Zukunft gehen muss. (Man geht hier durchaus nicht nur auf Beerdigungen von Menschen, die man persönlich kannte. Es reicht, wenn die Person Teil einer Familie ist, die man kennt…)

Die Frauen treffen sich im Haus des Verstorbenen. Vor der Tür stehen Frauen, die einen in die entsprechende Wohnung führen. Auf der Straße davor (auch vor der Café, steht ein Stuhl mit einem weißen Handtuch darüber - für alle ein Zeichen, dass dort ein Trauerfall ist). Im Wohnzimmer sitzen dann die Weiblichen Angehörigen, alle auf Sofas. Die nächste Angehörige, hier im Fall von Samuel die Mutter und dann die Oma, wird als erstes kondoliert. Dann geht man die ganz Reihe durch. Am Ende setzt man sich auch hin, bekommt einen Kaffee und hinterlässt 500lek auf dem Tablett. Nach einiger Zeit steht man auf, geht wieder durch die ganze Reihe durch und verabschiedet sich. 

Je nachdem, wer gestorben ist, kann es sein, dass gut die ganze Stadt verteilt an diesen fünf Tagen zu Besuch kommt. Das Geld hilft der Familie, die Kosten der Beerdigung zu tragen und darüber hinaus. 

Unser Besuch bei Samuels Familie 

Samuel hatte in einem der Hochhäuser hier gewohnt. Eine typische Wohnung, nicht reich, aber auch nicht zu arm. Die Mutter war sichtlich noch unter Schock. Sie weinte nicht, sie saß mit geneigtem Blick da. Keiner weinte. Dennoch bestimmte Trauer die Stimmung. Wir saßen da und schwiegen erst einmal. Die Menschen hier freuen sich und respektieren sehr, dass wir zu solchen Anlässen kommen und ihnen damit Respekt zollen. 

Nach einer Weile erzählen wir, woher wir Samuel kennen und welche Freude er auch in unser Herz gebracht hat durch die Freude, die er ausstrahlte. Und war sagten, dass wir für sie beten. Wir fragten, ob wir gleich beten dürften in Jesu Namen. 

Als wir begannen, da fingen plötzlich viele an zu weinen und es war, als würde ein Damm brechen und endlich bekam das Raum, was jeder versuchte in seinem Herzen einzusperren. Es war besonders. Es war hart. Ich kämpfte mit meinen eigenen Tränen, rang um die richtigen Worte in solch einer schweren Situation. 

Darum sind wir hier

Nicht immer ist es uns möglich zu beten. Aber zu sitzen und die Trauernden zu sehen, die ja so oft keine Hoffnung und Gewissheit haben, das bricht mir das Herz. 

Diese Zeiten erinnern mich wie keine anderen daran, warum wir hier sind und warum die Nachricht der Hoffnung hier endlich tiefe Wurzeln schlagen muss und Menschen erfüllt werden mit dem Licht des Evangeliums.

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Wie kann man da schweigen?


Wir sitzen zu 6 Frauen zusammen. Haben Kaffee getrunken, geredet, gebetet und die Bibel gelesen. Das erste Treffen dieses Jahr. Dementsprechend gering ist die Konzentration, weil erst mal vieles ausgetauscht werden muss. Auf einmal schauen die Frauen schockiert aus dem Fenster.

Ein Mann wird mit verbundenen Händen in die Polizeistation geführt. Mit dabei ein junges Mädchen, seine Tochter. Sie kennen diesen Mann. Er wohnt in ihrem Hochhaus. Ist alkoholabhängig. Und sie hören regelmäßig, wie er seine Frau und Kinder schlägt. Sagen aber nichts dazu. Weil man das nicht macht. Aus Angst vor schlechtem Gerede. Es oft eh nichts bringt.

Die Frauen sind schockiert. Und fangen an von ihren eigenen Situationen zu Hause zu erzählen. Der Mann von einer Frau trinkt jeden Tag. Er schlägt sie nicht, bedroht sie aber verbal so heftig, dass sie manchmal zu den Nachbarn flieht. Oder er schließt sie aus. Oder ihre Eltern müssen kommen, um die Situation zu entschärfen. Die Tochter einer Frau wurde im jungen erwachsenen Alter von einem Mann kurz vor der Haustür abgefangen, der ihr Geld für Sex angeboten hat. Gott sei Dank hat sie spontan sehr weise reagiert und konnte sich aus der Situation befreien. Sie hat sich erst Jahre später getraut ihrer Mutter davon zu erzählen, weil sie sich so geschämt hat.

Eine andere Frau erzählt zum ersten Mal, dass ihre Ehe eigentlich auch nicht gut läuft. Dass ihr Mann, wenn er trinkt, aggressiv wird, sie respektlos behandelt. Die Menschen, die um sie herum leben wissen das. Eine andere Frau war 3 Monate lang verheiratet. Wie so oft mit Vermittlung. Dann hat sie gemerkt, dass ihr Mann drogenabhängig ist. Und mit dabei sitzt eine Frau, die von ihrem Mann geschieden ist. Der Grund: Jahrelange häusliche Gewalt. Nur mit viel Unterstützung ihrer eigenen Brüder konnte diese Frau diesen Schritt tun. Sie wird von vielen dafür schräg angeschaut. Sie sagt gar nichts zu dem Thema.

Mir fehlen auch einfach die Worte. Was soll ich dazu sagen? Wie kann ich diese Frauen ermutigen, die oft ein schreckliches Leben haben? Und keine Möglichkeit haben da raus zu kommen. Wie muss sich das junge Mädchen fühlen, das ihren Vater zur Polizei begleitet?

Ich erzähle ihnen eine Geschichte, an die ich mich immer in solchen Momenten erinnere. Momente, in denen ich nach Hoffnung suche. Eine Familie in Peru. Der Vater ist alkoholabhängig. Eines Tages fängt er an an Jesus zu glauben und wird von einem auf den anderen Tag frei vom Alkohol. Und ist ein anderer Mensch. Respektvoll und freundlich. Das ist kein Märchen, sondern eine Geschichte, die wahr ist. Ich war dabei. Und genau dafür möchte ich beten. Dass diese Wunder auch in unserer Stadt passieren.

Ohne Gott gibt es keine Hoffnung in all den verkorksten Situationen. Aber mit Gott gibt es Hoffnung. „Wir müssen für Wunder in unserer Stadt und besonders für die Männer in unserer Stadt beten,“ sind wir uns daraufhin alle einig. Seid ihr dabei?

Eine Jugend ohne Gott

Je älter mein eigener Sohn wird, desto mehr bekomme ich einen Blick für die Jungs hier. Und ich muss sagen, dass es mir oft das Herz bricht, die Jungs hier zu sehen. Es tut mir irgendwie so leid, dass sie hier so wenig Perspektive für ihr Leben finden können. Es tut mir so leid, dass oft schon sechszehn- oder siebzehnjährige nach England gehen, allein auf sich gestellt, fern ab von der Familie, die ihnen immer Halt gegeben hatte.
Die meisten, die ich über ihre Zukunftspläne frage, antworten, dass sie ins Ausland wollen. Ins verheißene Land, das für viele bald zu allem anderen als dem wird.

Vor ein paar Tagen war ich in einem abgelegenen Dorf. Dort traf ich auch zwei Jungs. Tolle Kerle, wie ich fand. Fertig mit der Schule und nun zuhause gefangen, am Kühe und Schafe hüten. Ein abgeschiedenes Leben. Ohne Perspektive. Ohne Träume. Ohne große Hoffnung auf Besserung. Es tut mir im Herzen weh.

Viele Jungen hängen den ganzen Tag auf den Straßen der Stadt rum. Es gibt hier außer Billard spielen nicht viel zu tun. Einige nehmen Drogen und der Sohn einer Freundin kam vor kurzem deshalb ins Gefängnis.
Da scheint niemand zu sein, der sich dieser Jungs annimmt. Der sie liebt und in sie investiert. Der sie das Leben lehrt. Jungs werden oft gar nicht erzogen. Sie gehen meist schon recht früh ihre eigenen Wege. Die Väter sind oft zuhause nicht präsent und die Mütter haben den heranwachsenden Jungs auch nichts mehr zu sagen. Erziehung geschieht hier oft noch durch schlagen aber das ist auch nicht die Methode Nummer eins, um die Herzen zu erreichen.

Wir beten schon lange, dass wir einen Mitarbeiter finden, der sich in diese junge Generation an Jungen investiert. Der sie liebt und formt im Namen Jesu und der ihnen eine andere Perspektive aufzeigt. Der ihnen von der Hoffnung in Jesus erzählt. Der hinter die äußere coole Fassade blickt und blicken darf und trotzdem bedingungslos in der Liebe Jesu liebt. Wir brauchen Mitarbeiter, die ein Herz für diese verlorenen Jungs hat. Für diese Generation, diese Jugend ohne Gott. Jesus hat dieses Herz für sie und er liebt sie und hat sie nicht vergessen. Daran muss ich mich immer wieder erinnern.

Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte schickt!

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Eine Hochzeit in Nordalbanien…

…ist definitiv anders, als ich es bisher kannte…

Einen Tag vor der ersten Hochzeitsfeier kommen Nachbarn und die engste Familie zu dem Haus der Braut. Dort werden dann alle Handarbeiten, die die Braut gemacht hat präsentiert: einen Koffer mit gehäkelte Tischdeckchen/Perlentischdecken, einen mit gestrickten Pullis und Socken, alles in vielen verschiedenen Varianten. Danach werden die Geschenke gezeigt, die die Braut bekommen hat: Umschläge mit Geld, viele Koffer mit neuen Kleidern (die Kleider von vor der Hochzeit zieht man nicht mehr an), Schuhen, Schmuck, Taschen und bei allem wird der Name des Schenkenden dazu gesagt.

Dann kommt die Braut in einer traditionellen Kleidung dazu, zeigt sich einmal und geht wieder ins Haus rein. Lächeln darf sie nicht, sondern es wird erwartet, dass sie weint, da sie bald ihre geliebte Familie verlassen wird und in eine neue Familie kommt. Die letzten Tage vor der Hochzeit verbringt die Braut in ihrem Zimmer und hat wenig Kontakt zur Außenwelt.

Am ersten Tag der offiziellen Hochzeit feiert die Braut mit ihrer Familie und Freunden. Frühmorgens wird sie einige Stunden lang gestylt, weil alles perfekt aussehen soll. Die Feier findet mit ca. 200 Leuten in einem gemieteten Feiersaal statt. Der Bräutigam kommt zwischendurch ca. 2 Stunden mit 25 engen Familienangehörigen dazu und geht dann wieder. Es wird fast die ganze Zeit traditionell im Kreis getanzt, vorher wird angekündigt, welcher Teil der Familie dran ist mit Tanzen. Die verschiedenen Tänze lernen alle von kleine auf und deshalb tanzt auch jeder Mal mit. Die ganze Zeit über wird Essen verteilt und gegessen. Es wird immer wieder viel Fleisch auf die Teller nachgelegt, auch wenn man noch welches auf dem Teller hat. Die Braut steht den großen Teil des Festes alleine (oder mit ihrem Mann) vor Kopf des Saales und wird immer wieder von Gästen beglückwünscht. Bei manchen Tänzen kommt sie dazu. Ein spezieller Kreistanz wird von 20 Frauen in der traditioneller Kleidung vorgeführt. Es gibt auch einen eigenen Tanz des Brautpaares bei dem Gäste Geld auf das Paar werfen können. Zwischendurch liest der DJ Glückwünsche von Familienangehörigen aus dem Ausland vor, die nicht kommen konnten.

Am zweiten Tag wird die Braut morgens (wieder nach intensivem Styling) mit viel Gehupe und einer Autokolonne vom Bräutigam und seiner Familie abgeholt und in ihr neues Zuhause gebracht. Es wird erwartet, dass die Braut weint, was sie meistens auch tut, weil sie ihre neue Familie, bei der sie wohnen wird oft nicht wirklich kennt. Nachmittags feiert der Bräutigam dann mit seiner Familie, die Familie der Braut kommt wieder mit einigen Leuten für kurze Zeit dazu. Der Ablauf der Feier ist ziemlich ähnlich.

Am nächsten Tag kommen Nachbarn und die engste Familie zum Haus des Bräutigams und es werden wieder die ganzen Handarbeiten und Geschenke gezeigt wie am Tag vor der ersten Feier. Die Braut steht still und traurig daneben.

An diesen ganzen Feierlichkeiten wird das Brautpaar genaustens beobachtet und es ist wichtig alles richtig zu machen, wenn man möchte, dass nicht schlecht geredet wird. Die Fassade nach außen muss stimmen. Für die Braut ist es wichtig, dass ihre neue Schwiegerfamilie zufrieden mit ihr ist und sie schön findet. Deshalb hat die Schwiegerfamilie einen großen Einfluss auf die Wahl des Kleides, je pompöser umso besser. Die Braut steht vorher und während der Feiern durch das ganze ziemlich unter Stress. Es ist außerdem wichtig, dass die Braut sich verändert für die Hochzeit, deshalb färben sich die meisten Bräute vor der Hochzeit ihre Haare und werden sehr stark geschminkt. Teilweise erkennt man die Braut nicht wieder. Es macht den Eindruck, dass das Fest und alles drum herum mehr für die Gäste und für den guten Ruf ist, als dass das Brautpaar es genießen und feiern kann.

Vom Vorrecht Deutscher zu sein

Weißt du was einer der Sätze ist, die ich in meiner Zeit hier in Albanien am meisten gehört habe?

Wenn ich den Menschen hier in Albanien erzähle, dass ich Deutscher bin, kommt immer wieder die gleiche Aussage: "Was? Wir Albaner wollen alle nach Deutschland und du kommst hierher? Wie kann das sein?"

Diesem Erstaunen kann ich dann begegnen, indem ich erzähle, dass Gott mich nach Albanien gesandt hat, als Hoffnungsbringer. Ich soll den Menschen von Gottes Liebe erzählen und von dem, was er in Jesus getan hat.

So war es auch letzten Dienstag, als ich wegen einer Kleinigkeit zur deutschen Botschaft nach Tirana musste. Ich hatte einen Reisepass beantragt und dieser war nun fertig und abholbereit.

Als ich nach einer dreistündigen Busfahrt und einem 15 Minuten Fußweg an der Botschaft ankam, warteten dort in der heißen Morgensonne eine Schar von jungen Leuten vor einem verschlossenen Tor. Mich überfiel gleich die Angst, dass ich mich nun in diese lange Reihe von Wartenden anstellen muss.

In meiner Verzweiflung sprach ich einen jungen Mann an. Ich fragte ihn, ob er weiß, wie das ganze mit der Botschaft läuft. Natürlich erwähnte ich auch, dass ich Deutscher bin und zum Beweis zeigte ich meinen Personalausweis. Der junge Mann sagte dann genau das, was ich oben schon erwähnte. Wie kann es sein, dass ich als Deutscher nach Albanien gekommen bin. Durch meine deutsche Identität änderte sich dann alles.

Der Mann machte mir Mut, an das verschlossene Tor zu treten und um Einlass zu beten. Ich war erst zögerlich, weil ich mir keine Sonderrechte herausnehmen wollte, aber ich wusste, das war meine einzige Hoffnung, ohne stundenlanges Warten an meinen Pass zu kommen. So wagte ich es und ersuchte Einlass. Als der Sicherheitsmann hörte, dass ich Deutscher bin, wurde ich gleich herein gebeten. Auch der Wachmann war voller Erstaunen, dass ich als Deutscher hier bin und auch noch die Sprache spreche.

Nach einer kurzen Kontrolle konnte ich hoch in das Gebäude. Doch als ich dort eintrat, fand ich einen Raum voller junger albanischer Männer vor. Es waren bestimmt 10. Und jeder hatte einen dicken Ordner mit Anträgen dabei. Jeder wollte ein Visum erhalten, um in Deutschland arbeiten zu können. Man machte mir klar, wo ich mich hinzusetzen habe, damit ich auch schön der Reihe nach dran komme.

Doch ich wusste, wenn ich mich jetzt mit meinem Anliegen, einen Reisepass abzuholen, in dieser Schlange von 10 Leuten anstelle, sitze ich Stunden da für eine Erledigung von 5 Minuten. Nach einigem Ringen mit mir selbst wagte ich es dann: Ich ergriff laut das Wort, so dass alle mich hörten und erklärte mein Anliegen. "Ich bin Deutscher und ich muss nur kurz was abholen. Wäret ihr so nett und würdet mich vorlassen." Puh, das war nicht leicht. Aber tatsächlich ließen sie mich alle vor und als der nächste Schalter frei war, konnte ich meinen Pass abholen.

Nach 5 Minuten verließ ich dankbar die Botschaft. Und ich staunte über dieses Vorrecht, einen deutschen Pass zu haben. Die meisten der jungen Männer hatten nur einen Wunsch: Sie wollten nach Deutschland und wenn möglich, sich dort ein neues Leben aufbauen. Und hier war ich nun mit allen Vorrechten eines Deutschen. Dieses Geschenk meiner deutschen Staatsangehörigkeit wurde mir mal wieder so erschütternd bewusst. Was habe ich dafür getan ein Deutscher zu sein? Gar nichts. Und was hatten die Jungs verbrochen, in einem Land voller Korruption geboren zu sein? Auch gar nichts.

Am Abend als ich wieder in Krume war und das Treffen mit meiner Bibelgruppe hatte, erzählte ich ihnen diese Geschichte. Mir war es ein wenig unangenehm, aber dann schenkte der Heilige Geist mir einen Gedanken. Ich konnte die zehn anwesenden Männer darauf hinweisen, dass am Ende nur eine Frage zählt. Nicht, ob wir Deutsche oder Albaner sind, sondern, ob wir Bürger des Himmels sind. Ich erzählte ihnen von Philipper 3,20 wo Paulus von unserem Bürgerrecht im Himmel schreibt. Und ich sagte: "Männer, ich kann eure Staatsangehörigkeit nicht ändern. Aber ich kann euch sagen, wie ihr Bürger des Himmels werden könnt. Und ich wünsche mir, dass ihr dieses Angebot annehmt. Es ist umsonst. Und es ist etwas viel besseres, als Deutscher zu sein."

Am Ende des Tages war ich voller Staunen über die Gnade, dass ich die Vorrechte eines deutschen Staatsbürgers genießen darf und ich staunte über die Gnade, dass Gott jeden Menschen, der an ihn glaubt, zu einem Bürger des Himmels macht.

Warum wir stolz auf Albanien sind

Wir hören hier oft, dass wir in Deutschland eine viel bessere Kultur haben. Damit meinen die Albaner hier unterschiedliche Dinge. Sicher meinen sie damit die Gerechtigkeit und Ordnung, die in unserem Land auf jeden Fall mehr herrschen, als hier. Es ist für uns schwer, darauf zu antworten. Klar, sind viele Dinge in Deutschland „besser“.

Aber eine Sache, die ich immer wieder hervor hebe, die die Albaner auszeichnet, ist ihre Gastfreundschaft, ihr sich Kümmern um einen Gast. Das zeigt sich z.B. auch darin, das ein Gast mindestens bis zum Tor begleitet wird, wenn er geht. Oft begleitet man den Gast auch noch einige Meter auf dessen Heimweg. 

Durch Zufall fand ich einen kurzen Artikel auf der Seite von Yad Vashem, der Holocaust Gedenkstätte in Israel. Dabei ging es um die Albaner und ihr Verhalten gegenüber den Juden im Zweiten Weltkrieg. Eben dieses macht mich stolz auf „unsere“ Albaner. Lest selbst diesen beeindruckenden Teil der albanischen Geschichte im zweiten Weltkrieg:


„Es gibt keine Spur von Judendiskriminierung in Albanien, denn Albanien ist heute eines der seltenen Länder in Europa, in denen es weder religiöse Vorurteile noch Hass gibt, obwohl die Albaner selbst sich aus drei verschiedenen Glaubensgruppen zusammensetzen.“ 
Herman Bernstein, der amerikanische Botschafter Albaniens, 1934

„Albanien, ein kleines, bergiges Land an der Südostküste der Balkanhalbinsel, zählte eine Bevölkerung von 803.000 Einwohnern. Darunter waren nur 200 Juden. Nachdem Hitler 1933 die Macht in Deutschland übernommen hatte, fanden viele Juden Zuflucht in Albanien. Es gibt keine genaue Angaben über deren Anzahl, aber verschiedene Quellen gelangen zu der Einschätzung, dass zwischen 600 und 1.800 jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich, Serbien, Griechenland und Jugoslawien nach Albanien kamen, in der Hoffnung, von hier aus nach Israel oder an andere Fluchtorte zu gelangen. Nach der Besetzung Albaniens durch die Deutschen im Jahr 1943 weigerte sich die Bevölkerung Albaniens in einem außergewöhnlichen Akt, die Anweisungen der Besatzer zu befolgen und ihnen Listen mit den Namen der Juden auszuhändigen, die unter ihnen lebten. Darüber hinaus versorgten verschiedene staatliche Einrichtungen viele jüdische Familien mit gefälschten Papieren, mit denen sie sich unter die Lokalbevölkerung mischen konnten. Die Albaner schützten nicht nur ihre eigenen jüdischen Bürger, sondern gewährten auch jenen Flüchtlingen Zuflucht, die nach Albanien gekommen waren, als es noch unter italienischer Herrschaft stand, und die nun in der ständigen Gefahr lebten, in Konzentrationslager deportiert zu werden. Die bemerkenswerte Unterstützung, die den Juden entgegengebracht wurde, war begründet in dem Ehrenkodex Besa, der noch heute in Albanien als der höchste ethische Wert gilt. Besa heißt wörtlich „ein Versprechen halten“. Jemand, der nach dem Prinzip Besa handelt, ist jemand, der sein Wort hält, jemand, dem man sein eigenes Leben und das seiner Familie anvertrauen kann. Die Hilfe, die Juden und Nicht-Juden gewährt wurde, kann als Angelegenheit nationaler Ehre verstanden werden. Die Albaner scheuten keine Mühe, um zu helfen, ja sie konkurrierten sogar untereinander um das Privileg, Juden zu retten. Sie handelten aus Mitleid, menschlicher Güte und dem Bedürfnis, Menschen in Not zu helfen, sogar denen, die einen anderen Glauben oder eine andere Herkunft hatten als sie. Albanien, ein europäischer Staat mit einer muslimischen Mehrheit, brachte zuwege, woran andere europäische Länder scheiterten. Alle Juden, die während der deutschen Besatzung innerhalb der Staatsgrenzen Albaniens lebten, und zwar albanische Staatsbürger ebenso wie Flüchtlinge, wurden – bis auf einige Mitglieder einer einzigen Familie – gerettet. Es ist eine beeindruckende Tatsache, dass in Albanien am Ende des Krieges mehr Juden lebten als zuvor.“

Zahlen bekommen Gesichter

Dieser Artikel stammt von unserer Teamkollegin Alex. Sie schreibt auf dem Blog Alex4Alb.

Man bekommt viele Infos durch die Medien über Flüchtlinge, ihre Situation, ihr Leben. Was davon stimmt überhaupt oder wo werden wir von den Medien manipuliert? Dann sitzt vielleicht einer von ihnen eines Tages vor dir. Du verstehst seine Sprache nicht, denkst dir, dass er ja gar nicht so arm aussieht, wie die Kinder in Afrika, die du immer innerlich vor Augen  hast, mit aufgeblähten Bäuchen vor Hunger. Und dann ist da der Hintergedanke, dass du nachher mal nach schauen musst, ob dein Portemonnaie noch in deiner Tasche ist.

Ich möchte dir einen realistischen Eindruck geben, wie die Situation vor Ort ist, wo einige dieser Menschen her kommen, wo also die Quelle der Probleme liegt.

Die Geschichte von Agim

Ich erzähle dir die Geschichte von Agim (Name fiktiv). Jeden Tag wächst er damit auf, dass sein Vater keine Arbeit findet, dass das Geld immer knapp ist. Einen Tag kann er mal hier helfen, den anderen da. Dann wird ein neues Gebäude gebaut, dort bekommt er etwas mehr Geld. Aber davon müssen zuerst mal die Medikamente für die Oma bezahlt werden, die Schulbücher und Hefte für die Kinder, dann das Holz für den Winter, jeden Monat Strom, Wasser und Miete und dann noch das Milchpulver für den kleinen Bruder, der jetzt 2 Monate alt ist und keine Muttermilch bekommen kann.

Alle mühen sich ab

Er sieht, wie auch die Menschen, die einen normalen Job haben, sich finanziell abmühen. Alle sind immer am Limit. Sowohl die Leute, die auf dem Dorf leben und mit Obst, Gemüse, Milch, Eiern und Fleisch über die Runden kommen, als auch die Lehrerin, die eigentlich gut verdient, aber 10 Jahre lang den Kredit von ihrer Hüft-Op abbezahlen muss, weil sie ohne diese Op nicht mehr hätte laufen können. Manche schaffen es so gerade eben ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren – was nützt diese, wenn sie danach keinen Job finden? Der Staat ist dabei auch keine Hilfe, eine gute Arbeit bekommst du nur, wenn du in der entsprechenden Partei bist.

Der Ausweg ins Ausland

Die einzigen, denen es gut geht, die eine gute Ausbildung machen können und die sich auch Autos oder OPs leisten können, sind die Familien, die viele Kinder im Ausland haben. In England, Deutschland, Schweiz, Frankreich, Belgien, Italien. Von dort wird alles bezahlt.

In dieser Umgebung und mit diesen Eindrücken wächst Agim auf. Als er älter wird hat er nur noch einen einzigen Wunsch: Möglichst schnell ins Ausland, um dort Geld zu verdienen, für sich und für die Familie, die hier lebt, für seine Eltern, die so hart kämpfen, für seine Geschwister, denen er ein besseres Leben wünscht.

Als ältester Sohn fühlt er diese Verantwortung auf sich. Und auch für sich selbst wünscht er sich einfach hier weg zu kommen, raus aus der depressiven Stimmung, ein besseres, einfacheres und schöneres Leben haben zu können. Das scheint der einzige Ausweg. Also verläßt er auf illegalem Wege das Land. Ca. 500-1000 Euro kostet es, um illegal nach Deutschland zu kommen. Nach England ist es teurer. Er ist eigentlich noch ein Kind und trägt eine höhere Verantwortung als viele Erwachsene.

Dort angekommen fühlt er sich sehr alleine. Der Start ist nicht einfach. Eine neue Sprache, neue Menschen, eine völlig andere Kultur. Aber einige kümmern sich wenigstens um ihn. Und besorgen ihm Geld, das er dann z.B. schon mal der Familie schicken kann. Mit ihnen dreht er ein paar harmlose Dinge, er will ja dazu gehören und das Geld ist lebensnotwendig. Und schließlich läßt man ja bei ihm zuhause auch mal 5 gerade sein, wenn man gute Kontakte hat. Irgendwann kommt er aus dieser Spirale nicht mehr raus. Dabei hatte er doch so auf ein besseres Leben gehofft.

Es muss nicht immer so sein, aber wir erleben hier, dass Zahlen, von denen man gehört hat und hört nicht nur Zahlen sind, sondern Menschen sind, mit einer individuellen Geschichte, die oft traurig macht und hoffnungslos ist.

Bitte betet für Albanien!

Wie wir den Armen helfen

Ich weiß es geht immer noch schlimmer. Aber was ich letzten Samstag sah, hat mich wirklich erschüttert. Mir war schon klar, dass viele Menschen in unserer Stadt in sehr beengten Verhältnissen leben. Aber so habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich besuchte eine arme Familie, die in einer 2-Zimmer-Wohnung lebt.

Die Eltern leben im Schlafzimmer und die 5 Geschwister teilen sich das ca 15m große Wohnzimmer. Die älteren Schwestern sind schon über 20. Ein Junge ist 18, und das jüngste Mädchen und der kleine Junge sind 14 und 12.

Zu diesen schwierigen räumlichen Bedingungen kommt hinzu, dass die Familie keinen Kühlschrank und keine Küche hat. In der Nische des Wohnzimmers (ca. 1,70m x 1,70) wo eigentlich eine Küche stehen sollte sah ich bei meinem Besuch zwei Plastikstühle und zwei Kochplatten auf einer Getränkekiste. Das war alles. Auf der einen Seite wollte ich laut loslachen, auf der anderen Seite kamen mir die Tränen, weil ich berührt war von den armen Verhältnissen, in denen diese Familie seit vielen Jahren lebt.

Was mir jedoch am meisten auffiel war der fehlende Ofen. Meine Füße waren kalt und ich saß mit warmer Winterjacke in dem Wohnzimmer. Ich fragte: Was macht ihr, wenn es richtig kalt wird? Und die Antwort war: Dann sitzen wir hier in Decken eingehüllt.

Diese Familie ist zu arm um sich einen Ofen zu kaufen. Nachdem der letzte Ofen ausgedient hatte, gab es kein Geld für einen Neuen. Wo soll auch das Geld herkommen, wenn der Familienvater arbeitslos ist und die Sozialhilfe 35-50 Euro beträgt.

Dabei ist solch ein Ofen hier im Winter auf zweifache Weise von Vorteil. Er dient gleichzeitig als Wärmequelle und als Kochstelle. Das Brot, das fast täglich in den Häusern gebacken wird, kommt auch in den Ofen. Dadurch sparen sich die Menschen die hohen Stromkosten durch einen Elektro-Ofen.

Am Ende des Besuchs stellte mir die jüngste Tochter dann die Frage, ob wir nicht mit einem Ofen aushelfen können. Ich versprach zu schauen, was ich tun kann. Gestern war ich in der Nachbarstadt und fand einen günstigen, neuen Ofen für 90 Euro. Diesen brachte ich dann gleich zu der Familie.

ofenAls sie mich einluden mich zu setzen, nahm ich die Einladung gerne an. Ich wollte sehen, wie die ganze Familie sich darum bemühte, dieses langersehnte, wärmende Feuer anzumachen. Die Holzpalette auf der der Ofen gelagert war lieferte gleich gutes Brennholz und es dauerte nicht lange, da wurde es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder warm in dieser Wohnung.

Natürlich wünsche ich mir, dass diese praktische Hilfe die Herzen dieser Familie berührt und sie offen werden für das Evangelium.

Am Ende bleiben natürlich Fragen: Wie helfen wir den Armen am besten? Wieviel Verantwortung tragen die Menschen selber? Was ist wenn Menschen selber Schuld sind an ihrer Armut?

Diese Fragen rückten aber zuletzt in den Hintergrund, als ich auf folgenden Vers stieß:

Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN, und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat. Spr 19,17

Gestern konnte ich deswegen ohne irgendwelche Zweifel und Unsicherheit diesen Ofen kaufen, um ihn der Familie zu bringen.

Der vernachlässigte positive Aspekt der Flüchtlingskrise

Manchmal kann ich mich nur noch aufregen darüber, dass die Albaner in Scharen nach Deutschland gehen. Wenn ich an die schwierige Lage in den Kommunen denke, dann frage ich mich, wohin das alles noch führen soll.

Wenn ich an die Lüge denke, die hier unter den Albanern verbreitet ist: “Ihr Deutschen habt doch gesagt, wir sollen alle kommen”, dann frage ich mich, wie sich solch ein Gerücht verbreiten konnte.

Leider vergesse ich Gott in dem Ganzen. Ich beachte nicht, dass er trotz allem immer noch alles unter Kontrolle hat. Ich bin beunruhigt, ärgerlich und machtlos.

Doch mein Gott ist nicht machtlos. Er regiert und er weiß schon längst, wie viele Flüchtlinge noch kommen werden. Kann es vielleicht sogar sein, dass hinter dem irdischen Verlangen der Menschen, Gott steht, der die Herzen der Menschen lenkt?

Er lenkt Ihnen allen das Herz und gibt acht auf alle ihre Werke. Psalm 33

Weil Gott Gott ist und weil sein Plan vollendet werden wird, will ich ruhig werden und mich auf das konzentrieren, was Gott wirken will.

Eines steht fest: Gott hat sein Ziel mit den 650.000 Menschen, die dieses Jahr nach Deutschland kommen, um dort Asyl zu suchen.

Nur der allergeringste Teil dieser Menschen kennt Gott. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Ländern, die islamisch geprägt sind. In ihren Ländern hatten diese Menschen bislang nie die Chance, von Gott, dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus zu hören. Nie stellte sich ihnen die Frage, ob ihre Glaube der Weg zu Gott ist, oder ob es vielleicht einen anderen Weg zu Gott gibt.

Doch jetzt sendet Gott die Menschen nach Deutschland. Die einen kommen aus einem Land voller Krieg und Terror, wie Syrien, Irak oder Afghanistan. Die anderen kommen aus Ländern wie Albanien und Kosovo, in denen Korruption und Armut die Menschen mürbe gemacht hat.

Was auch immer die Menschen zuvor erlebt haben: Es sind zerbrochene Menschen auf der Suche nach Hoffnung.

Hoffnung auf ein sicheres Leben. Hoffnung auf ein besseres Leben.

Herausgerissen aus dem Elend ihres Herkunftslandes kommen die Menschen nach Deutschland. Sie sind hilflos, bedürftig und abhängig von der Freundlichkeit und Güte der Menschen in Deutschland.

Und genau in dieser notvollen Situation möchte Gott den Menschen begegnen. Er möchte ihnen seine Liebe zeigen. Er möchte ihnen dienen und ihnen Hoffnung geben. Er möchte ihnen zeigen, dass er sich um sie kümmert.

Doch wie will Gott das tun?

Er will es durch seine Kinder tun. Wir sind berufen hin zu gehen und den Menschen die Liebe Gottes zu bringen in Wort und Tat. Zerbrochene Menschen auf der Suche nach Hoffnung sind viel offener für das Reden und Wirken Gottes.

Die Zeit ist jetzt da, dass Kinder Gottes sich auf den Weg machen. Ungeachtet der Barrieren von Sprache und Kultur. Es ist Zeit, dass wir die Menschen in ihren Flüchtlingsheime besuchen und den ihnen zeigen, dass wir für sie da sind und dass wir eine Hoffnung anzubieten haben, die über die Hoffnung auf ein besseres Leben hinaus geht.

Wir haben eine Hoffnung, die unabhängig ist von der Staatsangehörigkeit.
Wir haben eine Hoffnung, die sich nicht richtet nach dem, was man materiell besitzt.
Wir haben eine Hoffnung, die selbst in der hoffnungslosesten Situation trägt und besteht.

Wir haben eine Hoffnung, die einen Namen hat: JESUS.

Auf Ihn warten all die Flüchtlinge, ohne es zu wissen. Nur müssen wir hingehen, um Ihn unter ihnen bekannt zu machen. Gehst du mit?

Vom Schmerz der Zurückgebliebenen

Seit letzte Woche die gesamte Familie von Rrushes Bruder ziemlich plötzlich nach Deutschland "ausgewandert" ist, begreife ich, was es für viele Menschen hier bedeutet, wenn Angehörige oder Freunde von heute auf morgen weg sind.

Ich wollte eigentlich nur kurz zu Rrushe und sie etwas fragen, doch ich kam in eine Szene, die mich zwang, trotz Termindruck zu bleiben. Da sitzt sie wie ein Häufchen Elend und weint. Neben ihr ein kleiner Junge, der ebenso herzzerreißend weint, weil Rrushe weint.

Langsam erfahre ich, dass die Frau ihres Bruders mit ihren drei Kindern nach Deutschland gegangen sind. Anscheinend war es sehr plötzlich und Rrushe konnte sich kaum richtig verabschieden. Ich weiß, dass sie sehr mit ihrer Familie verbunden ist und es scheint ihr wirklich das Herz zu brechen.

Noch mehrere Tage ist sie traurig und hat fast immer Tränen in den Augen.  Es tut mir weh sie so zu sehen. Ich weine mit ihr.

Diese armen alten Leute, die schon so viel mitgemacht haben in ihrem Leben und die nun durch diese neue Welle der Auswanderung von geliebten Familienangehörigen ins Ungewisse echt leiden. Ich kann vielleicht nur ein wenig nachempfinden, was in ihnen vorgeht. Haben sie Angst, oder einfach Trauer über den Verlust. Vielleicht auch beides und noch vieles mehr.

Aber denkt dran: hinter jedem jungen Albaner, den ihr in Deutschland trefft oder seht, steht eine Familie hier in Albanien, die trauert, die weint, die entbehrt und die liebt.

Begegnet diesen Menschen mit Achtung und Liebe. Sie verlassen viel, sie erhoffen sich viel und wissen oft gar nicht, was sie gegen das, was sie hier hatten eintauschen: eine Familie, die sie liebt!